Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
des Herodes. Beim Einmarsch lieferten sich die Römer mit den jüdischen Verteidigern blutige Straßenkämpfe. Herodes war entsetzt über das Wüten der mit ihm verbündeten Soldateska. Je schlimmer die Exzesse, desto schwieriger würde es für ihn werden, die rebellische Provinz Judäa zu regieren. Mit Bestechung und Drohungen hielt er die römischen Truppen davon ab, das Innere des Tempels zu betreten. Denn einen solchen Frevel hätten die Juden den Invasoren und ihrem Helfer Herodes nie verziehen.
Die Region um Jerusalem war das politisch heißeste Pflaster des Römischen Reichs. Kein anderes Volk setzte dem Imperium bis dahin so energisch Widerstand entgegen wie die Juden. Als erster römischer Eroberer war der Politiker und Feldherr Gnaeus Pompeius Magnus 63 v. Chr. in Jerusalem eingezogen. Pompeius setzte den jüdischen Hohepriester als Statthalter in Judäa ein. Die Provinz am Jordan musste Rom Tribut zahlen. Die neuen Machthaber folgten auch im Nahen Osten einem bewährten Prinzip: Teile und herrsche. Sie verkleinerten das okkupierte jüdische Hasmonäer-Königreich und schafften die Monarchie ab. Die hasmonäischen Priesterkönige hatten hundert Jahre zuvor einen selbständigen jüdischen Staat gegründet.
Roms Herrschaft über ihre Provinz Judäa war labil. 58/57 v. Chr. wagten die Juden einen Aufstand, den die Römer niederschlugen. Aber dann rückte ein Feind aus dem Osten vor: 40 v. Chr. eroberten die Parther Jerusalem. Ein Verbündeter der siegreichen Parther, Antigonos aus dem Stamm der Hasmonäer, ernannte sich nun zum König von Judäa und zugleich zum jüdischen Hohepriester. Antigonos hatte mit Rom eine Rechnung offen: Pompeius hatte seinen Vater vergiften und seinen Bruder enthaupten lassen. Der neue König machte national-jüdische Politik mit Sinn für symbolische Handlungen. Er ließ Münzen prägen, die erstmals das Bild einer Menora, eines siebenarmigen Leuchters zeigten. Doch Rom mochte sich mit dem Verlust Judäas nicht abfinden.
Für Herodes, der später den Beinamen »der Große« erhielt, war damit der Boden bereitet. Der um 73 v. Chr. geborene Spross einer reichen und vornehmen Familie sollte als römischer Vasall, Gründer einer Dynastie und manischer Bauherr eine historische Rolle spielen. Ins Gedächtnis eingebrannt hat er sich als der Mann, von dem es im Evangelium des Matthäus heißt: »Er ließ alle Kinder in Bethlehem töten und in der ganzen Gegend, die zweijährig und darunter waren.« Mit dieser grausamen Tat habe er den »neugeborenen König der Juden« beseitigen wollen. Die Geschichte ist mit großer Wahrscheinlichkeit frei erfunden. Vor den Parthern war Herodes nach Rom geflüchtet. Dort ernannte ihn der Senat zum König von Judäa. Bald kehrte er nach Palästina zurück, sammelte Söldner und brachte einen Großteil der Region unter seine Kontrolle. Schließlich rückte er, kräftig unterstützt von römischen Truppen, in Jerusalem ein.
Doch Herodes hatte ein Problem, das seine gesamte Herrschaft überschattete: Die Juden sahen im König von Judäa nicht einen der Ihren. Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius bezeichnete ihn als »Halbjuden«. Der Grund: Herodes’ Familie gehörte zum Stamm der Idumäer, den die Juden im zweiten vorchristlichen Jahrhundert unterworfen hatten. Obwohl sein Vater schon jüdischen Glaubens war, galt seine oberste Loyalität dem Römischen Reich. Nicht nur in der Bibel, auch im jüdischen Talmud kommt Herodes schlecht weg. In dem um 500 n. Chr. entstandenen Traktat Baba batra wird Herodes als nekrophiler Wahnsinniger beschrieben, der sich an der konservierten Leiche seiner Frau Mariamne vergangen habe. Aber den Vorwürfen (»Manche sagen, er beschlief sie«) fehlen die Belege.
Geschichten gibt es viele über diesen Herrscher. Von zehn Ehen und zahlreichen Kindern ist die Rede, von Machtkämpfen, Bettgeschichten und grausamer Willkür. Drei seiner Söhne ließ er hinrichten – der König bezichtigte sie einer feindseligen Intrige. Zwei jüdische religiöse Würdenträger, die gegen ihn agitierten, endeten auf dem Scheiterhaufen. Politisch stand Herodes gut da. Weil er sich mit Geschenken und Prestigebauten den Rückhalt Roms sicherte, avancierte er rasch zum stärksten regionalen Fürsten des Reiches. Sein Gespür für Macht und Symbole bewies er in gigantischen Bauvorhaben. In Jericho und Jerusalem ließ er imposante Paläste errichten, und am Westufer des Toten Meers verstärkte er die Festung Masada. Seinen jüdischen
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