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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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König regierte das Pulverfass Judäa mit einer doppelbödigen Taktik. Nach außen gab er den hellenistisch-römischen Herrscher, innenpolitisch aber umwarb er durch strenge Ausrichtung an den jüdischen Gesetzen das konservative Judentum. Der Regionalherrscher hatte sogar Einfluss auf Caligula, wie sich in einem dramatischen Konflikt im Herbst des Jahres 40 erwies.
    Als überall im Reich Altäre zur Verehrung Caligulas als Gottkaiser errichtet wurden, zertrümmerten erboste Juden in der Küstenstadt Jamnia eine solche Kultstätte. Caligula befahl daraufhin, sein Bild im Jerusalemer Tempel aufzustellen. Blutige Ausschreitungen schienen programmiert. Doch Herodes Agrippa I. gelang es, Caligula von der Provokation abzuhalten. Königssohn Herodes Agrippa II . setzte dessen Politik einer Balance zwischen jüdischen und imperialen Interessen fort. Er ließ den Tempel in Jerusalem ausbauen, die Straßen Jerusalems mit Marmor pflastern und erfreute die hellenistische Bevölkerung durch den Bau eines Theaters in Berytos (heute Beirut). Anders als sein Vater musste er die Macht mit einem römischen Prokurator teilen. Als die Spannungen zwischen den Juden und der römischen Besatzungsmacht 66 n. Chr. eskalierten, gelang es dem König nicht, durch Verhandlungen einen Krieg zu verhindern.

    Als der römische Prokurator Gessius Florus die Juden aufforderte, Rom einen Teil des Jerusalemer Tempelschatzes zu übergeben, begannen diese einen Aufstand, den Legionäre unter den Kaisern Nero und Vespasian niederschlugen. Der Krieg endete mit der Zerstörung des Tempels von Jerusalem durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. Es war ein epochaler Einschnitt in der jüdischen Geschichte, zu einer Zeit, als sich das junge Christentum formierte. Geblieben ist von dieser Ära die Klagemauer in Jerusalem, ein Rest der Fundamente des herodianischen Plateaus. Schon den Römern war bewusst, dass die Herrschaft über das Heilige Land die Kontrolle über einen geostrategischen Knotenpunkt bedeutete – hier grenzen drei Kontinente aneinander: Europa, Asien und Afrika. Militärische Macht über die Ostküste des Mittelmeers bedeutete eine sichere Herrschaft über Griechenland wie auch über Ägypten, das seit 30 v. Chr. zum Römischen Reich gehörte.
    Das Land am Nil war die Kornkammer des Imperiums, zu Zeiten des Augustus stammte ein Drittel der Lebensmittel für das Reich aus Ägypten. Bei seinem Tod im Jahr 14 umfasste das Imperium 50 Millionen Menschen und 3,3 Millionen Quadratkilometer. Es reichte vom Euphrat und vom Südhang des Kaukasus bis zum Atlantik, von der Küste Nordafrikas bis nach Britannien. Der römische Schriftsteller Ovid nannte Augustus den »Herrn der Welt«. Mit der Herrschaft über Griechenland, das Rom 148 v. Chr. als Provinz Macedonia in sein Reich eingefügt hatte, besaß es nicht nur Weinbaugebiete, Arbeitskräfte und den Hafen von Piräus. Griechenland war zugleich eine gewaltige kulturelle Energiequelle für das Imperium. Denn die Vorstellung, sie seien eine überlegene Ethnie, war den Römern fremd. Griechenland wurde römisch, seine Bewohner blieben aber Griechen. In der griechisch-hellenistischen Sphäre, die von Ägypten bis Kleinasien reichte, setzte sich Latein weder in Wort noch Schrift durch. Roms Machtposition bedrohte in keiner Weise die griechische Identität.
    Im Gegenteil: Die Vergangenheit der Region war für die Römer so faszinierend wie inspirierend. Die Griechen hatten dem Imperium viel zu bieten. Der bekannteste römische Kulturimport waren sportliche Wettkämpfe und raffinierte Badehäuser. Thermen, Dampf- und Heißluftbäder nach griechischem Vorbild fanden rasch Verbreitung. Für die Menschen in eroberten und benachbarten Ländern war dieser Lebensstil ähnlich verlockend wie zwei Jahrtausende später der »American Way of Life« – Symbol einer Gesellschaft mit großen Aufstiegschancen und hohem Freizeitwert. Die Warnung jedoch, der Luxus gehe zu Lasten des imperialen Auftritts, formulierte im 1. Jahrhundert n. Chr. der römische Schriftsteller Tacitus. Die Menschen gewöhnten sich, so der Autor, »durch Wohlleben an Muße und Ruhe«, hinzu kämen »die Reize der Laster«, nämlich »Bäder und üppige Gelage«. Bäder, in denen sich Körperpflege schon mal mit Kopulation kombinieren ließ, boten den Bürgern nach der Arbeit gepflegte Entspannung. Im Dienst aber verstanden sich die Römer auf spektakuläre Inszenierungen. Die Ankunft eines neuen Statthalters in einer Provinz etwa war ein

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