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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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Besatzungssoldaten um seine Dienstuniform betteln musste. Immer wieder wurde der Tempel zum Brennpunkt des Kampfes zwischen der antiken Supermacht und den aufmüpfigen Bewohnern Judäas.
    An Feiertagen erreichten diese Spannungen ihren Höhepunkt: Aufmerksam musterten römische Kohorten aus sicherer Höhe von den Säulenhallen, die den Tempel umgaben, die frommen Massen. Schon kleine Gesten konnten Unruhen auslösen: »Da zog auf einmal einer der Soldaten seinen Mantel in die Höhe, kehrte mit einer unanständigen Verbeugung den Juden das Gesäß zu und gab einen seiner Stellung entsprechenden Laut von sich«, berichtet Josephus über ein Pessachfest einige Jahre nach Jesu Tod. In den folgenden Unruhen sollen 10000 Menschen ums Leben gekommen sein. Dabei ist unklar, ob der Furz oder die Nacktheit als tödliche Beleidigung aufgefasst wurde. Dennoch macht der Zwischenfall die gravierenden kulturellen Unterschiede zwischen Besatzern und den Juden klar: Was den einen als derber Scherz galt, war für die anderen Gotteslästerung.
    Wenn nicht gerade römische Soldaten im Tempel aufmarschierten, leiteten Priester routiniert die rituellen Abläufe im Tempel. Sie unterlagen strengen Auflagen: Dienst durfte nur tun, wer makellos war und nichts getrunken hatte. Das Haar musste ordentlich und nicht zu lang sein. Die Priester sollten die Massen durch ihr elegantes Auftreten beeindrucken und in eine Art Ekstase versetzen, mutmaßte später der jüdische Gelehrte Moses Maimonides. Sie galten als Verbindung zu Gott. Viele meinten damals, dass die Herrschaft in Händen des Hohepriesters liegen sollte. Nicht umsonst kennzeichnete Josephus Jerusalem als Theokratie.
    Die Priester akzeptierten nur fehlerfreie Opfertiere, banden sie fest und schächteten sie. Das Blut wurde in einem goldenen Gefäß, dem Masrek, aufgefangen. In manchen Fällen war besondere Fertigkeit vonnöten: Geflügelopfern wurde der Hals mit dem Daumennagel aufgeschlitzt. Blut war als Sitz der Seele wichtigster Teil der Opfergabe. Es wurde auf die Ecken des Altars geschüttet. Rund um den Altar befanden sich »Wasseröffnungen, so dass auf einen Wink hin alles Blut weggespült werde«, das von den Opfern zusammenfließt, heißt es im Aristeasbrief, den ein ägyptischer Jude verfasste. Nach dem Blutvergießen wurden die Innereien und das Fett auf dem Altar verbrannt, der Rest des Tieres von Priestern oder den Opfernden verspeist. Trotz oder vielleicht wegen seiner zentralen Rolle war der Opferkult umstritten. Nicht nur Jesus stieß sich daran, schon Jesaja wetterte Jahrhunderte zuvor: »Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke.«
    Kritische Geister fühlten sich von den politischen Intrigen im Tempel abgestoßen, sie bemängelten den Kult als Heuchelei. »Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel!«, sprach Jesaja im Namen Gottes: »Und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.« Jesaja riet: »Wascht euch, reinigt euch, lasst ab vom Bösen! Lernt Gutes tun, trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten.« Den Bewohnern Jerusalems klang das vermutlich wie eine Drohung, stellten Puristen doch nicht nur ihren Glauben, sondern auch ihre Existenzgrundlage in Frage. Der Popularität Jerusalems und ihres Tempels tat das keinen Abbruch. Zu Pessach versammelten sich mehr als 200000 Bewohner, Pilger, Konvertiten und Händler innerhalb der Stadtmauern und feierten den Auszug aus Ägypten, das Fest jüdischer Freiheit. In Häusern, Straßen und auf den Dächern der Heiligen Stadt kamen Menschen aus aller Welt zusammen und brieten gemeinsam das Pessachopfer. Nach den vorgeschriebenen vier Gläsern Wein war die Stimmung ausgelassen fröhlich.
    Kein Wunder also, dass Juden damals wie heute das Mahl mit dem Satz abschlossen: »Nächstes Jahr in Jerusalem!« Es ist vielleicht der älteste touristische Werbespruch der Welt. Er überdauerte auch die Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr., als die Römer den ersten jüdischen Aufstand gegen ihre Herrschaft niederschlugen und den Tempel niederbrannten.

Unter den Augen des Kaisers
    In Judäa rebellierten die Juden gegen die römische Herrschaft. Anderswo im Reich konnte das Imperium besiegte Völker besser integrieren.
    Von Uwe Klußmann
    Es war eine höllische Schlacht um die heilige Stadt. 30000 römische Soldaten stürmten im März des Jahres 37 v. Chr. Jerusalem; an ihrer Seite kämpften Söldner

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