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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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was kriegerische Unruhen nach sich zog. Jedenfalls ließ Herodes den Täufer auf die entlegene Festung Machaerus bringen und dort hinrichten.
    Markus erzählt diese Geschichte anders. Herodias, die ausgespannte Frau, habe auf Festnahme des Täufers gedrungen, während Herodes ihn »fürchtete, weil er wusste, dass er ein gerechter und heiliger Mann war«. Und dann kommt Salome, die Tochter der Herodias, tanzt vor Herodes, berückt ihn und darf sich von ihm etwas wünschen. Und ihre Mutter weiß ihr den richtigen Wunsch einzuflüstern: »das Haupt des Täufers Johannes« (Mk 6,14 ff.). Er war ein Märtyrer: gestorben für das göttliche Gesetz, das keinen Ehebruch duldet. Gut möglich, aber keineswegs zwingend, dass Johannes in Verbindung zur Gemeinde von Qumran stand. Auch sie war »umgekehrt«, hatte sich wie er vom Jerusalemer Tempel abgekehrt und »in die Wüste« am Toten Meer zurückgezogen, nicht weit von jener Jordangegend, wo er aufgetreten sein dürfte.
CHRISTOPH TÜRCKE
    Der studierte Theologe, Jahrgang 1948, lehrt Philosophie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. In seinem Buch »Jesu Traum« unternimmt er eine Psychoanalyse des Neuen Testaments.

Herodias präsentiert das Haupt des hingerichteten Täufers
    (Ölgemälde von Domenico Piola, 17. Jahrhundert)
    BRIDGEMANART.COM

Doch es gab damals verschiedene Umkehrbewegungen, teils unabhängig voneinander, teils verfeindet, nur selten einander wohlgesinnt. Ihre Gemeinsamkeit war kaum mehr als ihr gemeinsamer Feind: Rom. Dass die übermächtigen Römer das Land aussogen, war schlimm genug. Aber sie taten noch mehr. Im Jerusalemer Tempel ließen sie zweimal täglich ein Opfer für den Kaiser und das römische Volk darbringen – eine dauerhafte, den Nerv der jüdischen Identität jeden Tag aufs Neue berührende Schmach. Das Opferfeuer, das im Jerusalemer Tempel für den römischen Kaiser brannte, dürfte der eigentliche Herd jener Naherwartung sein, die damals in ganz Palästina umging und in der Nachschau »apokalyptisch« genannt wird. Das Maß war voll. Der Gott Israels musste im Begriff stehen, einen »Starken«, einen »Gesalbten«, einen »Menschensohn« zu senden, der der Fremdherrschaft und der jüdischen Kollaboration mit ihr ein Ende machte und das »Reich Gottes« herbeiführte. Es »ist nahe herbeigekommen«, sagt Johannes der Täufer. Das sagt später auch Jesus. Nur versteht er etwas anderes darunter, und wie es dazu kam, konnten die Evangelien weder zugeben noch ganz verschweigen.
    Jesus war Johannes’ Täufling. Daran ließ sich nicht vorbeisehen, obwohl es denkbar schlecht ins christliche Konzept passte. Wer sich einem Reinigungsritus unterzieht, der erklärtermaßen »zur Vergebung der Sünden« stattfindet, kann der sündlos sein? Das musste Jesus aber sein, wenn er »für unsere Sünden« gestorben war, nicht, wie sonst jeder Mensch, für seine eigenen. Wenn sich also die Taufe Jesu nicht leugnen ließ, so musste zumindest geleugnet werden, dass er sie nötig hatte. »Ich bedarf dessen, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?«, lässt Matthäus den Täufer sagen und legt Jesus eine ebenso fadenscheinige wie nebulöse Antwort in den Mund: »Lass jetzt; denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen« (Mt 3,14 f.).
    Bei Markus kommt dieser Wortwechsel noch nicht vor. Hier ist die Taufe Jesu zu einem bloßen Vorspiel herabgesetzt; das Eigentliche kommt danach. »Als er aus dem Wasser trat, sah er die Himmel geöffnet und den Geist wie eine Taube auf sich herabsteigen, und eine Stimme erscholl aus den Himmeln: Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe« (Mk 1,10 f.). Jesus entsteigt nach dieser Version dem Taufbad nicht etwa als von seinen Sünden gereinigter Johannesjünger, sondern um als Sohn Gottes offenbar zu werden. Die »Stimme aus den Himmeln« beglaubigt nicht die Taufe; sie entrückt den frisch Getauften dem Wirkungskreis des Täufers. Hat sie nicht einen bemerkenswert feierlich-rituellen Klang? Rituelle Formeln aber kommen schwerlich aus dem Himmel. Sie bilden sich in irdischen Gemeinschaften. So auch hier. Es dürfte sich um die rituellen Worte handeln, mit denen Johannes seine Täuflinge in den Jordan tauchte.
    Schwerlich wird ja seine Taufe eine Kurzabfertigung gewesen sein: einmal untertauchen und dann adieu. Nach allem, was man von Reinigungsriten aus der damaligen Zeit weiß, dürfte der Taufakt der Schlussakt einer längeren Unterweisungszeit gewesen sein, in der die

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