Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
ursprünglich der Name eines Gottes der Unterwelt. Der Wein wurde von Priestern zeremoniell vergossen und auch getrunken. In beiden Kulturen war das alltägliche Getränk des Volkes eher das aus Gerste oder Weizen gegorene Bier. Der Weingenuss war den Priestern und überhaupt den Vornehmen reserviert.
Die ägyptische Weinkultur ist bereits für das 4. Jahrtausend v. Chr. belegt. Aus dem Alten Reich, etwa um die Mitte des dritten Jahrtausends, sind Wandbilder erhalten, die Gärten mit Weinreben und Szenen der Weinlese zeigen. Weil die göttliche Sonne dem Wein die schwere Süße schenkt, hat die Rebe am Göttlichen teil. Religiöse Texte nennen die Traube »Pupille des Horus-Auges«, der aus ihr gewonnene Wein besteht aus den »Tränen« dieses Himmelsgottes. In den Lagerräumen der Tempel und Paläste fanden Archäologen unzählige Ton-Etiketten von Weinamphoren, auf denen penibel Rebsorte, Herkunft, Jahrgang, Qualität (»achtmal guter Wein«) und Eigentümer festgehalten worden waren.
Zum flüssigen Grundnahrungsmittel wurde der Wein erst bei den alten Griechen, nachdem kretische Minoer etwa um 1700 v. Chr. die ersten Edelreben gezüchtet hatten. Die Griechen verfeinerten durch Kreuzung der Rebstöcke – sie schafften es, etwa 150 verschiedene Sorten zu kultivieren – das Getränk ebenso wie den Weingenuss. Griechischer Wein war bald ein erfolgreicher Exportartikel. In Ägypten wie in Griechenland und später auch in Rom sowie im europäischen Mittelalter wurde der Wein mit Wasser gemischt. Häufig war das Mischungsverhältnis zwei (Wein) zu fünf (Wasser), eine Kombination zu gleichen Teilen galt bereits als unmäßig. Nur das Trankopfer an die griechischen Götter wurde pur genossen und verschüttet. Man goss stets das Wasser in den Wein, nie umgekehrt. Der Wein war eben das Wesentliche, das Wasser die Zutat. Eine andere Rangfolge hätte die Götter beleidigt.
Eine griechische Erzählung behauptet, der Weingott Dionysos sei eines Tages aus Mesopotamien ins hellenische Kleinasien geflüchtet, weil die Menschen an Euphrat und Tigris dem gröberen Biergenuss verfallen waren. Dem griechischen Pflanzenzüchter Ikarios brachte der Gott einen mit Wein gefüllten Schlauch ins Haus, um ihn dann in die Kunst des Rebbaus einzuweisen.
Dionysos, den die Römer als Bacchus kennen, ist zugleich der Gott des Weines und der fruchtbaren Vegetation. Er wird dargestellt als schöner junger Mann mit weichlichen Zügen, aber wenn er bei den orgiastischen Umzügen mit verzückten, tanzenden Mänaden, Nymphen und Satyrn auftritt, zeigt er sich auch als gieriger Bock oder Stier. Aus den religiösen Umzügen haben sich wohl die herbstlichen Weinfeste entwickelt, die es noch heute gibt. Es hat einige Zeit gedauert, bis aus dem rustikalen Fruchtbarkeitsgott der Schirmherr einer der geistreichsten griechischen Erfindungen wurde: des Symposions.
Dieses »Gastmahl« besteht im Wesentlichen aus mehreren Abendstunden des geselligen Essens und vor allem Trinkens unter meist männlichen Freunden. Die lassen sich – gern liegend – von Flötenspielerinnen oder Hetären, von Tänzern oder Gauklern unterhalten oder profilieren sich mit eigenen Versen, Reden und Gesängen, nicht zuletzt mit Trinkliedern. Schutzherr Dionysos, der auch »der Löser« (»Lysios«) genannt wird, erhält zu Beginn der Veranstaltung eine Trankspende. Ein gewählter Zechmeister, der Herr des Gelages (»Symposiarch«), bestimmt das Mischungsverhältnis von Wein und Wasser und handelt mit den Teilnehmern die Regeln des Abends aus – wer was vorzutragen hat, ob der übliche Trinkzwang gelockert werden soll und anderes. Die Trinkgefäße müssen auch mal in einem Zug geleert werden. Verstöße gegen die Regeln können mit Straftrinken geahndet werden.
So gelehrt und gesittet wie bei dem Historiker Xenophon (um 430 bis nach 355) und dem Philosophen Platon (427 bis etwa 347) – beide haben ein Buch mit dem Titel »Symposion« geschrieben – wird es nur selten zugegangen sein. Platons legendäres Gastmahl ist eine vorbildliche Einheit aus spielerischer Rhetorik, Gelehrsamkeit, Diskussionskultur, Freundschaft und Lebenskunst. Ehe der Philosoph verschiedene Lobreden auf den »Dämon« Eros, den einige für einen alten »Gott« halten, vortragen lässt, schildert er ein kurzes Streitgespräch über die Weisheit zwischen dem Dramatiker Agathon und seinem eigenen Lehrmeister Sokrates. Danach habe sich »Sokrates zum Essen gelagert und mit den Übrigen gespeist, Trankopfer
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