Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch
dargebracht, einen Lobgesang auf den Gott angestimmt und die übrigen religiösen Bräuche vollzogen; sodann hätten sie sich zum Trinkgelage angeschickt«. Man vereinbart, Maß zu halten.
Es folgt ein intensives Gespräch über Eros, den »Schönsten und Besten« unter allen höheren Wesen, den eigentlichen Herrn des Strebens nach dem »Besitz des Guten«, eines Strebens, das letztlich die »Glückseligkeit« meint und die himmlische Variante der Liebe von der irdischen ablöst. Platon spekuliert: Da jeder Liebende vor seinem Geliebten möglichst gut und vortrefflich erscheinen will, wäre ein Staat aus lauter Liebenden und Geliebten ein einziges Fest der Friedlichkeit. Dazu gehörte als »göttlicher Akt« die »Vereinigung des Mannes und Weibes«, diese »Leidenschaft zum Schönen«, wie die weissagende Diotima Sokrates erklärt. Ziel sei »das Ewige und Unsterbliche, soweit dies vom Sterblichen erreicht werden kann«. Spekulationen beim mäßigen Weingenuss. Es kommt eben nicht nur darauf an, »auf schöne Weise zu lieben«, sondern auch, auf schöne Weise zu trinken. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass der Weingenuss unter Freunden hier zum ersten Mal in der Geschichte mit Ideen von Liebe, Schönheit und mit dem Göttlichen verknüpft wird.
Nur das Christentum hat, aufbauend auf dem Alten Testament, diesen spirituellen Höhenflug der Weinrebe und Weinrede noch überboten. Gewiss kannten die Autoren des Neuen Testaments das platonische Idealbild des Symposions, als sie es zum Abendmahl – zur heiligen Messe – erweiterten. Die Evangelisten knüpfen an das platonische Urbild einer klugen Geselligkeit an, die mit dem Wein den Fortgang des kultivierten Gesprächs belebt und beflügelt, aber das Abgleiten in den grölenden und lallenden Vollrausch verpönt. Idealer Weingenuss ist maßvoller Genuss. Das ergibt sich schon aus seiner archaischen Verbindung mit kultischen Mahlzeiten. Der Trinkende soll sich dem Gott öffnen, nicht aber, als Betrunkener, Streit suchen, gänzlich die Kontrolle verlieren oder gar sich selbst als Gott aufführen.
Bereits das Alte Testament hat diesen ethischen Rahmen der berauschenden Rebe beschrieben. Unter den Weisungen, mit denen der » HERR « seinem Diener Mose den Bau der »Stiftshütte«, des Tempels für die Bundeslade, detailliert vorschreibt, gibt es auch die Verpflichtung zum täglichen Opfer an diesem besonderen Ort: »Und dies sollst du auf dem Altar tun: Zwei einjährige Schafe sollst du an jedem Tage darauf opfern, ein Schaf am Morgen, das andere gegen Abend. Und zu dem einen Schaf einen Krug feinsten Mehls, vermengt mit einer viertel Kanne zerstoßener Oliven, und eine viertel Kanne Wein zum Trankopfer.«
Die große kultische Bedeutung des Trankopfers und generell die Agrarkultur, aus der es erwuchs, erklären auch die Vielzahl biblischer Bilder, in denen der Wein zur Metapher für edlere Subjekte oder Dinge wird. Im Weinberglied des Propheten Jesaja (5,1–7) vergleicht Gott sogar das Volk Israel mit einem Weinberg; die Männer von Juda gelten ihm als gepflanzte Weinreben: »Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe. Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte. Des HERRN Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing.«
Der Theologe Dominik Schmid deutet die Gleichsetzung des Volkes Israel mit einem Weinberg in seiner Studie »Der Wein in der Bibel« so: »Der Weinberg ist ein kostbarer Besitz. Er braucht stetige Pflege, damit die Reben gedeihen. Der Weinberg ist von einer Mauer umgeben, die die Pflanzen schützt, aber auch ganz klar abtrennt. Das Volk Israel ist Gottes kostbarer Besitz. Er hat es sich auserwählt. Er trennt es ganz klar ab von den übrigen Völkern.« Im fünften Buch Mose taucht unter den Strafen, die der » HERR « jedem ungehorsamen Angehörigen seines Volkes androht, auch diese auf: »Ein Haus wirst du bauen; aber du wirst nicht darin wohnen. Einen Weinberg wirst du pflanzen; aber du wirst seine Früchte nicht genießen.« Hier erscheint der Weinberg als selbstverständliches Inventar einer wohlsituierten Sesshaftigkeit. Für wandernde Nomaden gibt es keine derartige Weinkultur, sie können die Reben ja nicht stetig pflegen.
Als Jakob seine Söhne zusammenruft, preist er den Sohn Juda mit den Sätzen: »Er wird seinen Esel
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