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Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch

Titel: Jesus Von Nazareth - Und Die Anfaenge Des Christentums - Ein SPIEGEL-Buch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Pieper , Annette Großbongardt
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gepredigt, auch wenn es nicht mehr diese Mauern sind, die heute stehen.« Die Mauern und Säulen, die heute stehen, sind Überreste einer Synagoge aus dem 4. Jahrhundert, zu jung, um für Jesus zu bürgen. Aber die Geschichte seines Wirkens bekommt nun einen Schauplatz, wir blinzeln in die Sonne, stellen uns vor, hier auf den Steinbänken saßen die jüdischen Bewohner des Fischerdorfs, und da steht ein Mann vor ihnen und sagt: Trinkt mein Blut! Esst mein Fleisch! »Denn mein Fleisch ist die wahre Speise, und mein Blut ist der wahre Trank« (Joh 6,51–58). Ketzerisch muss das für jüdische Ohren geklungen haben.
    Kapernaum, das ist der Ort, wo Jesus »zu Hause« war, wie der Evangelist Markus schreibt. Hier fand er seine ersten Jünger, die Fischer Simon Petrus und Andreas. In dem jüdischen Grenzort am Seeufer gab es eine Zollstation und eine kleine Garnison römischer Soldaten. Große Teile des später von einem Erdbeben zerstörten Ortes wurden inzwischen ausgegraben. Unter der Synagoge fand man schwarzes Basaltpflaster, offenbar vom Boden eines älteren Kulthauses aus dem 1. Jahrhundert. Von der Synagoge kann man zum Haus des Simon Petrus schauen. Es wird von einem mächtigen Gebäude eingehüllt, das eine Kirche ist, aber eher wie ein Parkdeck aussieht. Im Bodengeschoss fanden die Franziskaner, denen große Stücke Kapernaums seit 1894 gehören, mehrere schlichte Wohnhäuser der Römerzeit und sogar Inschriften im Putz mit den Namen von Jesus und Petrus. Von einer Balustrade schauen wir hinab auf die ausgegrabenen Fundamente und Mauerreste – hat er dort die Schwiegermutter des Petrus geheilt? »Da ergriff er ihre Hand, und das Fieber verließ sie« (Mt 8,14 –15).
    Kommt es darauf überhaupt an? »Pilgerfahrt«, hatte mir der kluge Dominikanerpater Jerome Murphy-O’Connor, Erforscher des Heiligen Landes an der renommierten »École Biblique« in Jerusalem, einmal erklärt, »Pilgerfahrt ist, sich zum Gebet zu bestimmten Orten zu begeben, von denen man sich erhofft, dass es dort leichter ist, mit Gott in Kontakt zu kommen«. In dieser Hoffnung pilgern Christen seit über 1600 Jahren an die biblischen Stätten der Jesusgeschichte, heute kommen jährlich mehr als eine Million christliche Wallfahrer nach Israel. Vielleicht wollen sie doch auch Beweise sehen? Die Schönheit vieler dieser Orte ergreift jedenfalls auch denjenigen, der nicht fest im Glauben ist.
    Pfarrer Scherr will ehrlich sein: Moderne Bibelauslegung, erklärt er uns, bedeute auch Entmystifizierung, es gebe sogar moderne Theologen, die sagten, Kapernaum habe es nie gegeben. Dabei ist der Ort vergleichsweise gut belegt, es gibt viel wunderlichere Plätze. In der Brotvermehrungskirche in Tabgha nur ein paar hundert Meter weiter am Seeufer wird das Wunder verehrt, dass Jesus aus fünf Broten und zwei Fischen 5000 Menschen speiste. Tabgha erreichte man zur Jesuszeit auf der Via Maris, der römischen Handelsstraße, die durch Galiläa führte. Nun fahren wir auf dieser Straße vorbei an Mangobäumen und Bananenstauden zur Brotvermehrungskirche der Benediktiner. Der Felsen, auf dem Brot und Fische gelegen haben sollen, ist heute noch zu sehen: ein bisschen schwarz, als hätte man Feuer darauf gemacht; in der byzantinischen Vorläuferkirche des 5. Jahrhunderts baute man darüber den Altar. Davor prangt im Boden das berühmte Mosaik mit den zwei Fischen und dem Brotkorb.
    Der Fels sieht sehr alt aus, doch der Führer »Heiliges Land«, mit dem uns das Pilgerbüro ausgerüstet hat, lässt uns keine Illusion: »Der eigentliche Ort, an dem sich das Wunder der Brotvermehrung ereignet haben soll, lag am Ostufer des Sees Genezareth; irgendwann einmal war den Pilgern der Weg zu weit und die einsame Örtlichkeit zu gefährlich, und so verlegten sie den Platz des Brot- und Fischwunders kurzerhand an das besiedelte Westufer.« Und dann steht da noch: »So viel zur Authentizität von Bibelschauplätzen im Heiligen Land.« So sagt Pfarrer Scherr denn auch vorsichtig: »Das ist der Ort, wo die Brotvermehrung gewesen sein soll.« Die Pilgerin Egeria, die Tabgha 383 besuchte, war noch frei von solcherlei Skrupeln. »Nicht weit von Kapernaum sieht man die Steinstufen, auf welchen der Herr stand«, schrieb sie in ihren Reisebericht, »es war auf diesem Feld, auf dem der Herr das Volk mit fünf Broten und zwei Fischen sättigte … Der Stein, auf den der Herr die Brote legte, ist zu einem Altar gemacht worden … Am Berg, der sich nebenan erhebt, ist eine Grotte, über

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