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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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meinen Zookäfig sperren, klebt alle Aufmerksamkeit an mir. Klar, Brian steht auf und breitet weiter seine Argumente aus, sagt, daß ich in eine Falle geraten bin und so weiter. Aber man spürt, daß alle ahnen, daß Lallys Nagel der letzte war - mein Kreuz steht. Woran man das spürt? An subtilen Veränderungen im Gerichtssaal. Zum Beispiel sitzt der Kopf der Stereotypistin heute extraweit im Nacken.
    Unterdessen empfange ich Schwingungen von Jesus. Sie wispern mir zu, ich soll Schadensbegrenzung betreiben und meine Familiengeheimnisse vergessen - ich war lange genug loyal, länger, als man erwarten kann, und jetzt soll ich sie eben die Waffe finden lassen. Sie sagen, ich soll ihnen von meinem Stuhlgang außerhalb der Schule erzählen. Ich meine, Kacke muß alles mögliche an verwertbaren Informationen über einen enthalten. Wahrscheinlich könnten sie lauter neue Typen daraus klonen und die dann fragen, warum sie's getan haben. Einer meiner Finger berührt den grünen Knopf im Käfig und tastet über seine Oberfläche. Kameras zoomen heran. Menschen auf der Straße, Reisende in Flughäfen, Familien in der Behaglichkeit heimischer Gerüche, japanische Männer beim Friseur, italienische Kids beim Schuleschwänzen - alle sind sie zugeschaltet und halten den Atem an. Man hat so eine Ahnung, daß in der Addition gerade Milliarden Stunden menschlichen Lebens durch tosenden Blutdruck vernichtet werden. Macht, Mann - ich sag's euch. Ich schürze meine Lippen und laß den Finger zärtlich um den Summer streichen, ich spiele mit ihm, tu so, als ob ich sonstwas für Optionen hätte. Die plötzliche Stille im Saal läßt Brian herumfahren. Er sieht, daß meine Hand über dem Summer hängt, und stürzt auf mich zu, doch das Zischen des Richters holt ihn ein.
    »Lassen Sie ihn!«
    Ich drücke den Summer nicht, um meine Geschichte zu ändern. Ich drücke ihn deshalb, weil sie überhaupt nicht erzählt wird. Mit einemmal hab ich eine Erleuchtung, was diese halbe Ewigkeit angeht, die ich schon damit verbringe, dieser Meute von Paradickmann-Strategen zuzuhören, mit ihrer Armee von Teppichfaserexperten und Psychopfuschern, die mir den Rest geben mit ihrem verfluchten bla, bla, bla. Für mich karrt der Staat bestimmt keine Experten herbei, soviel steht fest. Man braucht selber so eine Armee, das ist mir klargeworden - je größer, desto besser. Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, und ich hoffe wirklich, daß ich nicht das Werk des Teufels verrichte, wenn ich's doch tue, aber die Sache ist, auf berechtigte Zweifel brauch ich mir bestimmt keine Hoffnung machen. Nicht auf dem Boden der Tatsachen, da kann mir keiner was erzählen. Vielleicht, wenn deine Katze den Hamster vom Nachbarn gebissen hat, wie bei Judge Judy. Aber wenn sie für dich schon Masseneskorten veranstaltet und einen Zookäfig gebaut haben - vergiß es. Das einzige, was dann noch hilft, ist ein einfacher, ehrlicher Beweis deiner Unschuld, der jedem Fernsehzuschauer sofort einleuchtet. Entweder du hast so was, oder sie ackern neun Jahrhunderte lang technische Indizien durch, die sich anfühlen wie ein Jahrtausend voller Doppelstunden Mathe. Berechtigte Zweifel? Die gehen irgendwann zwischendrin verloren.
    Ohne wirklich etwas zu verlieren zu haben, drücke ich den Summer. Er macht ein Geräusch wie ein Xylophon, das jemand aus einem Flugzeug geworfen hat, und plötzlich erblinde ich im Blitzlichtgewitter. Das letzte, was ich sehe, ist, wie der Mund von Brian Dennehy aufklappt.
    »Herr Richter«, sage ich.
    »Pschhht!« würgt Brian hervor.
    »Nur zu, mein Junge«, sagt der Richter. »Sollen wir das Widerrufsverfahren einleiten?«
    »Nein, Sir, es ist nur - ich dachte, ich würde eine Chance kriegen zu sagen, wie wirklich alles abgelaufen ist, aber sie fragen nur Sachen, die mich schlecht dastehen lassen. Ich meine, ich hab Zeugen vom Moment der Tragödie an.«
    »Euer Ehren«, sagt der Staatsanwalt, »als Vertreter der Anklage hoffe ich, daß die Struktur dieses Verfahrens bewahrt bleibt, nachdem so viel Mühe hineingesteckt wurde.«
    Der Richter starrt ihn verständnislos an. »Und ich, Herr Anwalt, will hoffen, daß sich die Anklage, genau wie dieses Gericht, der Wahrheitsfindung verschrieben hat.« Er lächelt gütig in die Kamera und sagt: »Vereidigen Sie den Jungen.«
    »Euer Ehren«, sagt Brian und hebt hilflos eine Hand.
    »Ruhe!« sagt der Richter. Er nickt mir zu. »Sag, was du zu sagen hast, Mister Little.«
    Ich hole tief Luft, lege die Hand auf die Bibel

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