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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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und sage meinen Spruch auf. Brian hält seinen Kopf mit beiden Händen fest. Dann zittere ich mich direkt zum Kern meines Anliegens vor. »Ich hatte nie irgendwelchen Ärger. Mein Lehrer, Mr. Nuckles, weiß, wo ich war. Ich war deshalb nicht im Klassenraum, weil er mich losgeschickt hat, um 'ne Kerze für irgendein Experiment zu holen - wenn er früher geredet hätte, wäre ich nie in Verdacht geraten.«
    Der Richter starrt die Anwälte an. »Warum ist dieser Zeuge nicht geladen worden?«
    »Er wurde von seinen Ärzten für vernehmungsunfähig erklärt«, sagt Brian. »Außerdem waren wir sicher, die Beschuldigungen bezüglich des Highschool-Vorfalls aufgrund vorliegender Beweismittel entkräften zu können.«
    »Ich bin der Ansicht, wir müssen Mr. Nuckles zu Wort kommen lassen«, sagt der Richter. Er blickt hoch, direkt in die Kameras. »Die Welt wird verlangen, daß er zu Wort kommt.« Er gibt den Gerichtsbeamten ein Zeichen. »Laden Sie ihn vor - wenn nötig, werden wir ihm am Krankenbett einen Besuch abstatten.«
    »Danke, Sir«, sage ich. »Die andere Sache ist ...«
    »Du hast gesagt, was du sagen wolltest, mein Junge. Gerechterweise muß ich jetzt dem Vertreter des Staates gestatten, dir einige Fragen zu stellen.«
    Ich denk mal, ihr könnt meinen Anwalt weinen hören. Der Staatsanwalt rückt sein Lächeln zurecht und kommt zu mir rüber. »Danke, Herr Richter. Vernon Gregory Little, wie geht es dir heute?«
    »Ganz okay, eigentlich - ich wollte gerade sagen, daß ...«
    Er hält eine Hand hoch. »Dein Standpunkt ist, daß du die letzten sechzehn Opfer nie gesehen hast - richtig?«
    »Die Sache ist ...«
    »Antworte bitte mit ja oder nein.«
    Ich schaue den Richter an. Er nickt. »Ja«, sage ich.
    »Und die Opfer in der Schule hast du ebenfalls erst gesehen, als sie bereits tot waren oder im Sterben lagen - richtig?«
    »Ja.«
    »Du gibst aber zu, am Tatort dieser Morde gewesen zu sein?«
    »Na ja - ja.«
    »Du schwörst also unter Eid, daß du bei achtzehn Morden zugegen warst, ohne diese ganzen Morde beobachtet zu haben?«
    »H-hmm.« Meine Augenlider flattern vor Anstrengung, nicht durcheinanderzukommen.
    »Du schwörst außerdem, daß du keines der letzten sechzehn Opfer gesehen hast, aber sie sind ebenfalls alle zu Tode gekommen.« Der Staatsanwalt läßt seine Zunge im Mund umherwandern und runzelt dabei die Stirn. Das ist Piffigkeit für Fortgeschrittene, falls es jemand noch nicht wußte. Dann lächelt er die Geschworenen an und sagt:
    »Meinst du nicht auch, daß dein Sehvermögen langsam für ein paar Probleme sorgt?« Gelächter blubbert durch den Saal.
    »Einspruch!«
    »Lassen Sie's gut sein, Herr Anwalt.« Der Richter läßt Brian auflaufen und wedelt mit der Hand, um mir zu signalisieren, daß ich antworten soll.
    »Ich war überhaupt nicht dort, bei den letzten Morden«, sage ich.
    »Warst du nicht? Wo warst du denn?«
    »In Mexiko.«
    »Ich verstehe. Was für einen Grund hattest du denn, in Mexiko zu sein?«
    »Äh - also, ich war irgendwie auf der Flucht, weil ...«
    »Aha, du warst auf der Flucht.« Der Staatsanwalt preßt seine Lippen zusammen und blickt sich zur Jury um, die überwiegend aus Kombibesitzern und solchen Leuten besteht - ein paar streng wirkende Ladys, ein paar überhebliche Kerle; ein Typ, bei dem man schwören könnte, daß er seine Socken und Schlüpfer bügelt. Und alle hängen sie an den Lippen des Staatsanwalts. »Nur, um das noch mal klarzustellen - du sagst also, du bist unschuldig an jeglichem Verbrechen und hast die Hälfte der Opfer nie gesehen. Richtig?«
    »Ja.«
    »Du gibst aber zu, beim ersten Massaker zugegen gewesen zu sein, und du wurdest an den anderen Tatorten eindeutig identifiziert. Stimmst du zu, daß dich vor diesem Gericht einunddreißig Menschen als die Person identifiziert haben, die sie zum Zeitpunkt der späteren Morde gesehen haben?«
    »Einspruch«, sagt Brian. »Das ist alles nichts Neues, Euer Ehren.
    »Herr Richter«, sagt der Staatsanwalt, »ich versuche lediglich, den Realitätsbezug des Angeklagten festzustellen.«
    »Abgewiesen.« Der Richter nickt mir zu. »Beantworte die Frage.«
    »Aber ...«
    »Beantworte die Frage mit ja oder nein«, sagt der Staatsanwalt. »Wurdest du von einunddreißig Bürgern in diesem Gerichtssaal als Verdächtiger identifiziert?«
    »Äh - nehm ich mal an.«
    »Ja oder nein!«
    »Ja. «
    Mein Blick plumpst zum Boden. Und als mir bewußt wird, was mein Blick macht, erfaßt mich die erste Panikwelle. Hitze

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