Jesus von Texas
Beispiel.«
Lally feuert von seinem Van aus einen stechenden Blick auf mich ab und macht mit den Händen Kamerabewegungen. »Gib mir einfach das Startsignal!« brüllt er.
Mom steht hilflos hinter uns auf der Straße und läßt ihr Kinn an die Brust sinken; ihre Lippen verzerren sich - das Startsignal für Tränen. Der Schmerz des Anblicks durchzuckt meine Eingeweide. Ich fahre herum und sehe durch die Heckscheibe, wie Lally zu ihr eilt und eine Hand auf ihre Schulter legt, worauf ihr armer, aufgeweichter Kopf auf diese Hand kippt und er seine Schulter unter ihr Gesicht schiebt, um die Tränen aufzufangen. Dann streckt er seinen Körper und starrt düster hinter dem davonfahrenden Wagen her.
Ich halte es nicht aus. Ich hechte über Gurie hinweg zum Fenster und brüll mit aller Kraft der beschissenen Welt: »Tu es, Lally - sag ihnen die verdammte Wahrheit.«
Knast ist bitter in dieser Nacht, tot wie die Luft zwischen Arsch und Unterwäsche beim Sitzen. Irgendwo im Hintergrund brummt ein Fernseher; ich lauere auf eine Meldung über meine Unschuld, doch statt dessen kommt die Erkennungsmelodie vom Wetterbericht. Ich hasse diese scheiß Melodie. Dann poltert eine Stimme durch den Gang. Schritte nähern sich.
»Und wehe, ein einziger Burger fehlt, das ist mein Ernst. Sicher, klar, jetzt ist es Dr. Actions Diätrevolution, was. Dein ganzes Gezetere über Prettykins, und jetzt - warte, sag nichts - es ist eine Burgerdiät, hab ich recht? Verstehe, Protein, h-hmm. Was? Weil es nichts gibt außer deiner beschissenen Scheune von einem Arsch ...«
Der Mann bleibt vor meiner Zelle stehen. Das Licht, das durch die Gitter fällt, umreißt eine fiese, verzerrte Fresse voller Zähne. Barrie E. Gurie, Haftbeamter, steht auf der Dienstmarke. Er sieht, daß ich wach bin, und quetscht das Telefon in seinen Hals.
»Du wetzt doch hier nicht etwa deinen Riemen, oder, Little? Du wirst doch nicht etwa die ganze Nacht den Bock melken, he?« Er lacht - eine dreckige Lache ist das, als hätte Miss Universum gerade seinen verdammten Schwanz gelutscht oder so. Selbst auf die Entfernung schlägt einem sein Atem wie ein fester Block entgegen, der am Gesicht hinabgleitet und eine Spur aus Zwiebelsauce und Schweineschmalz hinterläßt. Was für ein widerwärtiger Mensch, ganz ehrlich. Wenn aus jedem so ein Arschloch wird, wegen so einer scheißdeprimierenden Angelegenheit, dann wird's Zeit, daß ich aus dieser Stadt verschwinde. Am besten gleich ganz aus Texas - so lange, bis sie die Geschichte auf die Reihe gekriegt haben. So, wie sich die Leute im Moment aufführen, ist Granny sogar noch zu nah dran am Geschehen.
Barry dreht weiter seine Runden und hängt dann den Rest der Nacht beim Fernseher rum. Ich strecke mich auf der Pritsche in meiner Zelle aus und lasse meine Gedanken zum wichtigen und beängstigenden Problem meiner Zukunft schweifen. Falls sich noch jemand an diesen alten Film erinnert, Gegen jede Chance, mit der Braut, die so ein Strandhaus in Mexiko hat - dorthin könnte ich abhauen. Mom kann mich besuchen, sobald sich der Staub gelegt hat. Da ist sie ja schon, mit leuchtend roten Wangen, schluchzend vor Freude - die gute alte Doris Little, gespielt vielleicht von Kathy Bates, der aus Misery. Tränen des Stolzes fließen, als sie meine vorzüglichen sanitären Verhältnisse und mein anständiges, wohlgeordnetes Leben sieht. Seht ihr - so läuft das. Wir sind jetzt in der Zukunft, Vernon, unser junger Held, ist bereits rehabilitiert. Jetzt kauft er ihr einen tönernen Esel oder eines dieser Salat-Sets, um die Mrs. Lechuga immer so einen Wind macht. Der Salatzubehörverkäufer fragt mich: »Soll es dieselbe Ware sein, die Mrs. Lechuga hat, oder die Deluxe Edition?« Was für ein Tritt in Mrs. Lechugas Hintern. Seht ihr? Das ist mein neuer Plan, definitiv. Das Essen ist auch prima, Burritos, Cappuccino und so. Es heißt immer, man kommt leicht an Geld dort unten - verdammt, ich könnte es wirklich zu was bringen. Es muß schließlich Leute geben, die in diesen Strandhäusern wohnen.
Doch der Pessimist in mir sagt: »Urlaub, Kid? Vergiß es - was du brauchst, is 'ne Torte mit 'ner verdammten Bombe in der Mitte.« Mein Pessimist spricht mit einem New Yorker Akzent, keine Ahnung, warum. Ich ignoriere ihn. Die Sache mit der Braut erfordert gründliches Nachdenken. Oder hat schon schon mal jemand einen Typen allein abhauen gesehen? Taylor Figueroa - sie muß mit. Sie wohnt jetzt in Houston, geht aufs College oder so - sie ist älter als
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