Jesus von Texas
bugsieren.
»So aggressiv, der Junge«, sagt George. »Da mußte er sich ja Ärger einhandeln, so aggressiv, wie er ist.«
»Ja, genau, ich weiß so wie dieser, ähm - dieser andere Junge ...«
Schwindel erfaßt mich, und alles, was ich dann noch sehe, ist rot. Ich reiße Lallys Geschäftskarte aus meiner Tasche und halte sie hoch. »Alle mal herhören - ich hab heute in Yoo-lalios Büro angerufen, und was glaubt ihr, wer dran war? Seine blinde Mama, der die Finanzierungsgesellschaft gerade die Bude ausgeräumt hat, weil er seinen Van nicht bezahlt hat.« Lallys Augen verwandeln sich in Kohlen. »Und jetzt hat sie einen Prozeß am Hals wegen eines Camcorders, den er gestohlen hat. Und habt ihr gewußt, daß er in Wirklichkeit ein Fernsehmechaniker ist, der sein Geschäft im Schlafzimmer seiner Mutter in Nacogdoches hat?«
»Lächerlich«, sagt Lally. Er quetscht sich die Eier, vergißt aber, wieder loszulassen.
Ich schaue zu den Ladys auf der anderen Seite der Bar. Sie sind quicklebendig und platzen vor Erwartung. Für sie ist das wie Weihnachten und Ostern auf einmal. Ich werde richtig dramatisch, so wütend bin ich. »Ihr denkt, ich lüge? Dann versprech ich euch, daß jeden Augenblick seine Mutter hier anrufen wird, um ihn heimzuholen, unter Garantie. Laßt euch einfach von ihr die Geschichte erzählen.« Ein Lächeln geht über mein Gesicht - wollt ihr wissen, warum? Weil Lally weiß ist wie eine Kalkwand. Er lehnt in der Ecke und wischt sich mit der Hand übers Gesicht. Alle starren ihn an.
»Tss, das ist ja absurd. Unglaublich, was für bösartige Lügen aus dem Mund dieses Jungen kommen!« Er holt tief Luft, dann dreht er sich zu den Ladys um und breitet seine Arme aus. »Hat hier schon mal jemand von einem Feature-Reporter gehört, der nebenbei als Mechaniker arbeitet?« Alle schütteln ihre Köpfe. »Und warum ist das wohl so?«
»Na ja, weil ein - Reporter mehr verdient?« schluchzt Mom. »Er wird viel besser bezahlt, er muß keine Fernseher reparieren.«
»Keine weiteren Fragen.«
»Moment mal«, sage ich. »Ich hab nicht behauptet, daß er irgendwas nebenbei macht - er ist nichts weiter als ein Mechaniker aus Nacogdoches, noch dazu einer mit 'nem Riesenhaufen Ärger am Hals. Schaut euch doch seine Karte an, na los.«
»Ladys«, sagt Lally, »das ist lächerlich. Was meinen Sie, wie oft der Name Ledesma Gutierrez in diesem Land vorkommt? Und haben Sie mich jemals einen Fernseher reparieren sehen?«
»Nein«, sagen sie.
»Haben Sie mich denn jemals im Fernsehen gesehen, als Reporter vor Ort?«
»Ja natürlich«, sagen sie und gestikulieren zustimmungsheischend zum Pfarrer. »Wir waren ja zusammen mit Ihnen zu sehen!«
»Ich danke Ihnen«, sagt Lally. Dann dreht er sich zu mir und starrt mich an. »Und jetzt - angesichts dessen, was wir gerade gehört haben, und, ganz ehrlich, zu deiner eigenen Sicherheit - rufe ich die Polizei an.«
»O nein, Lally, bitte nicht«, sagt Mom.
»Es tut mir leid, Vanessa - ich fürchte, es ist meine Pflicht. Der Junge benötigt dringend Hilfe.«
In diesem Moment, gerade, als mir meine Welt durch die Finger rinnt, geht das Schicksal in die vollen. Das Telefon klingelt. Mom hält keuchend den Atem an, ihr Schluchzer bleibt ihr zur Hälfte im Hals stecken. Alle erstarren.
»Ich geh ran«, sagt Lally.
»Ich glaube kaum«, sage ich und hechte nach dem Telefon. »Mom, geh du ran.«
Meine alte Dame liefert eine Gala-Opfer-Performance ab: Sie buckelt sich vom Sofa hoch und schlurft schwer zum Telefontisch. Ihre Nase und ihre Augen glänzen. Bevor sie den Hörer abnimmt, schaut sie alle in der Runde an, besonders Lally. Sie setzt einen flehenden Blick auf, den echten Geprügelten Hund. Dann wird ihre Stimme sahnig weich. »Hallo? Mr. Ledesma, aber ja - darf ich fragen, wer anruft?« Sie reicht Lally den Hörer. »Es ist CNN.«
Ich reiße ihn Lally wieder aus der Hand. »Mrs. Ledesma?«
»Vernon!« fährt Mom mich an.
»Wissen Sie noch? Der Anruf aus Martirio ...?«
»Wer ist da?« fragt die junge New Yorkerin am anderen Ende. Lally schnappt sich den Hörer und dreht sich zur Wand.
»Renée? Tut mir leid - alles gerade ein wenig hektisch hier unten. Ich hab die Serie? Phantastisch! « Er zeigt den Ladys seinen erhobenen Daumen. »Wovon hängt das ab? Gar kein Problem, wir haben immer noch die Waffengeschichte, den Verdächtigen, die Bewohner, die ihre Trauer bewältigen. Wir können den Faden in tausend verschiedene Richtungen weiterspinnen.«
»Also«,
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