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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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Kopf oder Zahl. Kopf - also gleich in Houston anrufen. Ich nehme den Hörer ab und wähle ihre Nummer.
fünfzehn
    »Hallo?« Die Stimme klingt wie Flüssigpo, eingefaßt in Gummibündchen.
    »Taylor, hi - hier ist Vern.«
    »Moment, ich hol sie«, sagt ein Mädchen. »Tay! Taylor da ist Vern.«
    »Wer?« ruft eine Stimme im Hintergrund.
    Das nächste, was man hört, ist Kichern. Ich hasse diese Scheiße. Die Chancen bei einem Mädchen sinken rapide, sobald in Hörweite gekichert wird. Erkenntnis: Versuch niemals, mit mehr als einem Mädchen auf einmal klarzukommen.
    Dann poltert sie endlich ans Telefon. »Tayla.«
    »Äh - hi, hier ist Vern.«
    » Vern ?«
    »Vern Little - erinnerst du dich?«
    »Vern Little? Puuh, also, ich meine ...« Während sie spricht, hört man die andere neben ihr in stumme Hysterie ausbrechen.
    »Kann sein, daß du mich in den Nachrichten gesehen hast, Vernon Gregory Little - aus Martirio?«
    »Gott, ja, das tut mir echt leid - ich hab von dem Massaker und so gehört, aber normalerweise schau ich nur, also, Kabel und so.«
    »Kanal Anal« kreischt das andere Mädchen.
    »Scheiße, Chrissie, Gott.«
    »Äh, also - ich bin der Typ mit den struppigen Haaren, vom Parkplatz, bei der Party das eine Mal - ich hab noch ein paar Sachen von dir ...«
    »Ach so, Vern. Tut mir leid - du hast dich echt um mich gekümmert die Nacht, ich meine, ehrlich, hab ich's da übertrieben oder was?«
    »Ach Quatsch, kein Problem«, sage ich. Man kann hören, wie sie im Hintergrund das andere Mädchen aus dem Zimmer schmeißt. Noch ein bißchen Gekichere, dann ist sie wieder da.
    »Also, ich meine, ehrlich - was mir alles hätte passieren können! « Ich schieb ein bißchen Spucke im Mund umher und stell mir ein paar von den Sachen vor, die ihr hätten passieren können. »Jetzt sag mal, Vern, woher hast du eigentlich meine Nummer?« fragt sie.
    »Ist 'ne lange Geschichte. Die Sache ist, ich bin gerade unterwegs nach Houston und dachte, wir könnten uns vielleicht auf 'n Kaffee treffen oder so.«
    »Echt, Vern, also das ist irgendwie, ich meine, wow, ich weiß nicht. Vielleicht ein andermal?«
    »Also, ich dachte, vielleicht mittags oder so?«
    »Die Sache ist, meine Cousine kommt vorbei, und das ist irgendwie, also so 'n Mädchending, du weißt schon. Jedenfalls, echt lieb, daß du anrufst ...»
    Und dann, einfach so, kommt die Phrase, mit der man jemanden abwürgt. Gefolgt von einer peinlichen Pause, in der sie darauf wartet, daß ich mit einer entsprechenden Phrase antworte und auflege. Blankes Entsetzen läßt mich pokern.
    »Hör zu, Taylor - ich komm gerade aus dem Knast und bin auf der Flucht. Ich wollte dir noch ein paar Sachen sagen, bevor ich verschwinde, verstehst du?«
    »Heilige Scheiße, ich meine - was ist denn passiert?«
    »Lieber nicht am Telefon.«
    »Gott, aber du warst doch immer, wow, ich meine, mehr so der stille Typ.«
    »Ganz so still dann doch nicht, wie's aussieht. Nicht mehr ganz so verflucht still.«
    »Gott, aber bist du nicht erst, weiß nicht - vierzehn oder so?«
    »Äh, eigentlich siebzehn, mittlerweile. Also, wie gesagt, ich nehm mal an, ich bin einfach ausgerastet, wegen der Ungerechtigkeit und so.«
    »O mein Gott...«
    Ich stehe am Telefon, laß meinen Blick durch die Schalterhalle schweifen und warte darauf, daß sie anbeißt. Ich tu das im Namen der endgültigen, im Laufe der Menschheitsgeschichte erlangten Gewißheit, daß Mädchen bösen Jungs nicht widerstehen können. Ihr wißt es, und ich weiß es. Alle wissen es, auch wenn man's nicht mehr aussprechen darf, heutzutage.
    »Na ja, Vern, vielleicht könnt ich ja irgendwie, also - ich weiß nicht. Also, ich meine, wow. Kennst du die Galleria in Houston?«
    »Nicht so richtig.«
    »Paß auf, ich muß um zwei bei Victoria's Secret sein - ich könnte vielleicht draußen auf dich warten, an der Westheimer Road oder so?«
    »Victoria's Secret?« Ich zerbeiß mir die Zunge.
    Sie kichert. »Ich weiß, das ist so peinlich ich bin da verabredet, zum, du weißt schon, Unterwäsche einkaufen. Ich kann's nicht fassen, daß ich dich gerade dazu eingeladen hab.«
    »Ich setz 'ne Sonnenbrille auf.«
    »Jaja, egal« sagt sie und lacht. »Kommst du mit dem Auto oder so?«
    »Ich nehm ein Taxi.«
    »Egal, also - da ist so ein aufblasbarer Krake vor der Galleria, irgendwie als Werbung oder so - Viertel vor zwei, ich halt die Augen offen.«
    Seht ihr? So funktioniert's. Zuerst bin ich 'ne lästige Schmierspur an ihrem Hörer, und sie will mich

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