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Jesus von Texas

Jesus von Texas

Titel: Jesus von Texas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DBC Pierre
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Bleibst du irgendwo 'ne Weile? Und was ist, wenn sie, ich meine, du weißt schon ...«
    »Scheiße, wahrscheinlich hast du recht.«
    »Vern, ruf mich an, sobald du irgendwo bist, in einer Stadt oder so, oder in einem großen Hotel - ich erkundige mich dann bei Western Union.«
    Ihr Schicksalslied brummt mir in den Ohren, als ich den Hörer einhänge. Sechshundert Dollar - das reicht hier unten wahrscheinlich aus, um ein Strandhaus zu kaufen. Mann, bin ich aufgepeitscht. So sehr, daß ich übermütig werde und beschließe, Pam anzurufen. Es klickt in der Leitung. Ich wedele Fliegen weg, während sie eine Tonne Armfett auf Ohrhöhe hievt.
    »Ha-llo?«
    »Pam, hier ist Vern ...«
    »O mein Gott - Vernie? Wir sind total am Ende - wo bist du denn bloß?«
    Ich orte Mom im Hintergrund. Ich hätte es wissen müssen, wahrscheinlich sind sie mittlerweile beim neunmillionsten Burrito angelangt. Ihr Schniefen taumelt auf das Telefon zu, aber Pam wehrt sie ab. »Ißt du auch ordentlich? Sag mir bloß nicht, daß du nichts ißt, Herr im Himmel ...«
    Mom schnappt sich den Hörer. »Vernon, hier ist Mommy.« Dann fängt sie sofort mit diesem Heulen an, bei dem man einfach nur davonlaufen will. Und als sich meine Augen mit Tränen füllen, brechen bei ihr noch mehr Dämme weg. Er ist schwer zu verkraften, dieser Moment. Verdammt schwer.
    »Ma - das tut mir echt wahnsinnig leid.«
    »Also, Vernon, die Kriminalbeamten meinen, alles würde einfacher sein, wenn du nur zurückkommst.«
    »Ich glaub, das geht nicht.«
    »Aber Vernon, all diese Toten! Wo bist du denn? Wir wissen, daß du heute früh in der Nähe von Marshall gesehen wurdest ...«
    »Ma, ich hab niemanden getötet, deshalb bin ich nicht abgehauen. Ich will einfach alles wiedergutmachen, verstehst du? Vielleicht geh ich ja nach Kanada oder Surinam oder keine Ahnung.« Ganz schlechte Idee. Mütter erraten automatisch das fehlende Wort in einer Multiple-Choice-Reihe.
    »O Vernon — du bist doch nicht etwa in Mexiko? O mein Gott, Schatz, Mexiko?«
    »Ich hab gesagt, Kanada oder Surinam, Ma.«
    »Aber je länger du weg bist, desto mehr Ärger kommt hier auf dich zu, verstehst du das denn nicht? Vernon? Mr. Abdini meint, deine Verteidigung steht, er hat sich ein bißchen umgehört und ein paar Hinweise gefunden und alles, und wenn dann noch Lalito zurückkommt, können wir wieder eine richtige Familie sein, genau wie vorher.«
    »Du wartest doch nicht immmer noch auf Lally ...«
    »Na ja, also, warum denn nicht, diese alte Frau hat schließ-lich nie wieder angerufen. Vernon? Es ist Liebe, das weiß ich - eine Frau weiß so was.«
    »Mom - wann hast du das letzte Mal mit Lally gesprochen?«
    »Na ja, er ist sehr beschäftigt, das weißt du genausogut wie ich.«
    Ich schniefe ironisch. Ich geh mal davon aus, daß es ironisch ist, wenn jemand kompletten Bullshit als Realität ausgibt. Das Guthaben tropft von meiner Telefonkarte, als wäre es das Guthaben auf meiner Seele; ich hab plötzlich das Gefühl, daß ich ablaufe, wenn nichts mehr drauf ist. Ich nehm mir vor, einen kleinen Rest auf der Karte zu lassen, falls sie wirklich mit meiner Seele verlinkt ist. Eine Erkenntnis: Wenn man so tief in der Scheiße steckt wie ich, wird man verdammt abergläubisch.
    »Wo bist du denn? Willst du mir das nicht wenigstens sagen - Vernon?«
    »Frag ihn, wann er das letzte Mal gegessen hat, Doris.«
    »Mom, ich hab fast nichts mehr auf meiner Karte - mir geht's gut, das ist das wichtigste. Ich meld mich wieder, wenn ich irgendwo angekommen bin.«
    »O Vernon.« Das Heulen setzt wieder ein.
    Wie gern würde ich ihr ein bißchen Buttercreme bescheren, ihr von meinem Strandhaus erzählen, davon, wie sie zu Besuch kommt und so. Aber ich kann einfach nicht. Ich hänge einfach nur ein.
siebzehn
    »Ai, ai, aieeeeeee, Lu-pita! Ai, ai, aieeeeeee ...«
    Krächzende Musik aus dem Autoradio begleitet uns in Richtung Süden. Wir, das sind Pelayo, sein Junge und ich, plus Jesus, der tote Mexikaner. »Ein illustres Häuflein«, wie Mr. Bastard Nuckles uns nennen wurde. Ihr müßtet diese Kirmesmusik hören, die sie hier haben, ihr würdet euch bepissen vor Lachen, ehrlich - lauter schmissige Polkanummern mit Gitarre, Baß, Akkordeon und diesen Typen, die ständig »Ai, ai, ai« und so was kreischen. Obwohl, die Jingles zwischendurch sind fast noch besser - die Ansager brüllen, als würden sie Boxkämpfe präsentieren, mit allem unterlegt, was das Effektgerät hergibt. Ich throne gottgleich auf dem

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