Jesus von Texas
ins Hotel, so, wie mir das Pelayo beigebracht hat. Die Lobby ist in etwa so groß wie der Flughafen von Dallas-Fort Worth, und überall gleiten schöne krebsrote Menschen auf dem Marmorboden hin und her. Wahnsinnshotel. Ein Page blockiert eine Aufzugstür für mich, obwohl ich noch nicht mal in der Nähe des Aufzugs bin.
»Fahren Sie hinauf, Sir?« fragt er.
Ich versuch, mir nicht die Hosen vollzuscheißen, aber glaubt mir, es kostet mich verdammt viel Beherrschung. Wenn ich an letzte Nacht denke, an dieses Nest mit den Fliegen und der verwesenden Leiche des Nachtklubpianisten ... Ein paar Stunden später, und plötzlich komm ich mir vor, als wäre es nur eine Frage von Minuten, bis Hula-Girls auftauchen und meinen kleinen Freund lutschen, ehrlich. Leona Dunt könnte höchstens davon träumen hierherzukommen. Eine amerikanische Familie rauscht an mir vorbei zum Fahrstuhl, angezogen wie Tommy Hilfiger beim Golfturnier - Mama, ein angespannter Vater und die traditionellen zwei Kinder, ein gutes und ein böses. Die Sorte Leute, die abends beim Barjazz beschwingt werden und anfangen, über ihre Gefühle zu reden, um zu zeigen, wie ungezwungen sie sind. Mit anderen Worten: eine Musterbrigade Wundpeiniger.
»Bobby, du weißt, was wir besprochen haben, wir waren uns einig«, sagt die Mom.
»Ja, genau, Bobby«, sagt der Daddy von hinten wie ein blöder Papagei. Das Mädchen lupft seine Augenbrauen.
»Aber ich fühl mich nicht so gut«, sagt Bobby.
»Wir haben den Bootsausflug schon vor Tagen geplant, und er ist bereits bezahlt«, sagt die Mom.
»Vor Tagen«, sagt Dad.
Bobby ist jetzt eingeschnappt. Seine alte Dame preßt ihre Lippen zusammen. »Laß sein, Trey, das bringt nichts bei ihm. Du weißt ja, wie er ist. Hoffen wir nur, daß es nicht wieder so wird wie damals, als wir einen Riesenhaufen Geld für Tauchstunden ausgegeben haben.«
Wundfolter auf Weltniveau, das muß man ihnen lassen. Und die einzige selbstgefällige Visage, die am Ende noch übrig ist, gehört dem Mädchen.
Ich schlendere auf den Geruch von gebratenen Würstchen und Kaffee zu und halte nach einem Telefon Ausschau. Durch die Scheiben sehe ich eine riesige Terrasse, auf der ein Buffet aufgebaut ist. Ich Idiot nehme mir eine Speisekarte. Das Billigste darauf kostet soviel wie ein blöder Helikopter-Rundflug. Dann nähert sich ein Kellner, und ich gehe weiter, auf ein paar Toiletten neben dem Swimmingpool zu. Ich komme an einem wahrhaftigen, einem vielversprechenden Irren vorbei: einem kleinen, fetten Widerling, der mit einem anderen Typen im Wasser steht und einen auf gut Freund macht, als seine kleine Schwester sich neben ihnen ins Wasser stürzt. Dann, als sein Kumpel ihn gerade nicht hören kann, schnauzt der Fette seine Schwester an: »Ich hab gesagt, du sollst auf ihn drauf springen, nicht neben ihn ...« Ein zukünftiger Senator, unter Garantie.
Ich gehe an einer Reihe von Klubsesseln mit Meerblick vorüber; unten in der Bucht treiben Boote und Fallschirme vorbei, und kleine Kinder quietschen in der Brandung. Sofort stell ich mir vor, wie eines direkt vor meinen Augen am Ertrinken ist und ich reinspringe und es rette. Ich spiele in Gedanken durch, was ich hinterher den Reportern erzählen werde, und sogar die Schlagzeilen in der Zeitung seh ich schon vor mir: »Junger Held begnadigt« und so weiter. Eine Minute später rette ich schon das Kind des Präsidenten. Er bricht vor Dankbarkeit in Tränen aus, und ich ziehe einfach von dannen. Könnt ihr mal sehen, wie's um mich steht, wenn so 'n Mist durch meinen Kopf schleift wie eine rostige Kette.
Um wieder auf den Boden zurückzukommen, geh ich auf die Straße und such mir dort ein Telefon. Ich wähle Taylors Nummer.
»Glasfassoboot?« sagt ein Junge, der an der Straße Zettel verteilt.
»Was is los?«
»Sie wollen Fahrrad machen mit Glasfasaboot?«
»Tayla«, kommt es aus dem Hörer. Ich wedle den Jungen weg.
»Hier ist Mexiko«, sage ich.
»Hi, Killer.«
Irgendwas stimmt nicht, das höre ich, und dann trifft mich schmerzhaft die Sehnsucht danach, mich an sie zu schmiegen, mich in ihre Arme und ihre sichere, duftende Welt fallen zu lassen, wo das Schlimmste, was passieren kann, Langeweile ist oder der Geruch von billigem Raumspray. Und ihr größtes Geheimnis besteht wahrscheinlich darin, daß sie schon mal einen Popel gegessen hat. Man hört, daß sie gerade geheult hat.
»Alles okay?« frage ich.
Taylor stößt ein schniefendes Lachen aus. »Es ist einfach nur, ich meine -
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