Jesus von Texas
ein Indianer.«
»Du hast ein Hotelzimmer?«
»Doppelzimmer - also benimm dich, Serienmörder, du.«
Mein Gewicht kehrt zurück und erschwert ihr das Ziehen. »Wart mal kurz - ich hab da 'ne unglaubliche Stelle gefunden, wo wir bleiben können, an einem Strand, mit Dschungel und so ...«
»Iieks! Mit Spinnen und Insekten oder was? Huua!«
»Hast du nie Gegen jede Chance gesehen?«
»Echt Vern, ich hab das Zimmer schon bezahlt, ich meine, Gott.«
Auch egal. Als wir so nebeneinanderher laufen, geht mir durch den Kopf, daß ich jetzt auf keinen Fall meinen Problemhaushalt auflösen darf. Ich muß mir unbedingt ein bißchen Ärger bewahren, damit ich nicht darauf achte, wie ich mich ihr gegenüber verhalte. Mir ist nämlich was klargeworden: Man ist nur dann man selbst, wenn man nichts zu verlieren hat. Das klingt jetzt vielleicht bescheuert, aber es ist nicht so einfach, wenn deine Träume plötzlich leibhaftig bei dir in Acapulco landen. Deppendorf ist deswegen noch lange nicht von der Landkarte, ganz im Gegenteil. Und wie wir alle wissen, steigert der bloße Gedanke daran, was passieren könnte, die Qualen, die man erleiden muß, wenn's tatsächlich passiert. Die Erkenntnis ist folgende: Das Potential für fiese Scheiße im Falle eines wahr gewordenen Traums ist proportional zu der Zeit, die man damit verbracht hat, sich in den Traum reinzusteigern. S=t-Tr 2 . Das bedeutet, ich könnte jetzt genausogut kotzen.
Sie hat weiße Shorts an, aber es ist schwer zu sagen, ob sich darunter ein Höschen abzeichnet, weil sie so faltig sind. Mög licherweise beeinträchtigt eine der Falten die Topographie ihres Höschenumrisses. Außerdem trägt sie ein pfirsichfarbenes T-Shirt mit einem kleinen Skorpionymbol und darüber so eine komische steife Jacke. Ihre langen braunen Gliedmaßen fügen sich perfekt an ihren Körper. Nur die Jacke versetzt mir einen kleinen Stich. Sie sieht es und lächelt.
»Im Flugzeug war's wie im Kühlschrank.«
Als wir bei ihrem Hotel ankommen, einem von den größeren, ist es fast dunkel. Sie zieht mich hinter sich her in die Lobby, wo sich alle umdrehen und uns anstarren. Meine Schultern schieben sich vor - alles wirkt plötzlich eigenartig fremd, wie eine Schaufensterkulisse, in der ich mich als einziger bewege. Nur, daß ich mich nicht von der Stelle rühre, nicht einen Meter weit. Ich stehe einfach nur da und verstumme.
Taylor läßt sich den Zimmerschlüssel geben und sagt: »Komm, laß uns hochfahren, es wird dir gefallen.« Sie hat ihre Stimme auf Intensivstufe geschalten, oder Untensivstufe, das trifft's vielleicht eher. »Na los, komm schon.«
Ich schaue auf ihre perfekte Nase, ihre perfekte Haut, ihre perfekten Haare. Sie lächelt ein verschlagenes, ein geiles kleines Lächeln und nimmt meine Hand. Genauer gesagt, sie nimmt meine Finger und streichelt sie von den Spitzen bis runter zur Handfläche. Elektroschocks schießen durch meinen kleinen Freund. Wir besteigen eine Fahrstuhlkabine und gleiten hoch zu ihrem Zimmer. Schönes Zimmer, was sie da hat, mit Blick über die ganze Bucht. Kleine Shampoo-Fläschchen glitzern im ultraweißen Licht des Badezimmers.
»Willkommen zu Hause«, sagt sie. Sie nimmt ein paar winzige Tequila-Fläschchen aus der Minibar, während ich überflüssig in der Gegend rumstehe. Die Brise aus der Klimaanlage trägt einen Hauch von abgeleckter Haut heran und setzt zwanghafte Gedanken frei: von fruchtig-strengen Lüftchen, von meer- und sandverkrusteten Bündchen, einem Sumpf salziger Scham, aus dem Moschus und Essig aufsteigen. Ich zerstreue sie und setz mich aufs Bett. Taylors Haare duften nach Sonne, nach einem normalen, luftigen, sorgenfreien Urlaubstag - oder einem normalen sechzehnten Geburtstag.
Wenn da nicht meine alte Dame wäre, die im Moment vermutlich zu Hause sitzt, an meinen Geburtstag denkt und versucht, alles andere zu verdrängen. Wahrscheinlich hatte sie meine Torte schon gekauft, als ich noch da war, damit die Vorfreude länger anhält. Ich stell sie mir vor, wie sie heulend am Tisch sitzt, vor sich eine einsame Torte. »Herr im Himmel, du weichst sie ja ganz durch!« würde Pam sagen. Und selbst die bittere Wahrheit, nämlich daß die beiden wahrscheinlich zusammen im Barn sitzen - selbst die macht mich traurig. Ich nehm mal an, daß ein bißchen was von diesen Wellen zu Taylor rüberschwappt, denn sie wirft mir eins von den Tequila-Fläschchen zu.
»Hallo, Erde an Vernon!«
Ich nestle am Verschluß rum. »Tay, du bist doch jetzt hier
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