Jesuslatschen - Größe 42
Anblick scheint sie
langsam zu erweichen, letztendlich bekomme ich einen Kaffee und zwei Donuts. So
geht es sich schon leichter.
Heute
ist so ein „Kapuze auf und ab-Tag“, es regnet hier alle zehn Minuten ganz kurz
und heftig. Die Landschaft sieht frisch aus, es gibt Einblicke in weite Täler
und Ausblicke auf die Berge. In einem kleinen Ort bekomme ich in einer Art
OBI-Scheune neben Werkzeugen und Geräten zu meiner Überraschung auch
Lebensmittel. Schinken, Käse aber kein Brot. Erstmals kaufe ich hier getreu des
Energieerhaltungssatzes zwei Dosen „ Red Bull“. Lang
ausgestreckt liege ich in einem etwas vernachlässigten Kirchgarten. Vor mir
steht die Kirche wie ein erhobener Zeigefinger. Um mich herum ist hohes Gras
und neben mir liegen zwei leere Dosen „ Red Bull“.
Vielleicht beflügelt es mich im Schlaf. Merken werde ich es erst, wenn ich
wieder aufgewacht bin. Der lange Schlaf im Schatten lässt wieder Zuversicht und
Mut in mir aufsteigen. Unterwegs finde ich immer häufiger Energiedrink-Dosen
herumliegen. Sicher ist mir das nicht so aufgefallen, als mein Körper noch
ausreichend Energie hatte. Die Schultern sind so platt wie die Füße. Flügel
habe ich nicht bekommen, aber es ist mir wohler. Vier Kilometer sind heute noch
zu gehen. Endlich in Vilanova angekommen, stelle ich
fest, dass mir diese Stadt absolut nicht zusagt. Die frühe nachmittägliche
Stunde und die Aussicht auf eine andere Herberge in Mondonedo ,
vielleicht auch das Tässchen „ Red Bull“, lassen mich
weiterziehen. Der Anmarsch auf die Stadt Mondonedo hat es noch einmal in sich, auch streckt sich der Weg in das Stadtzentrum. Die
Eindrücke der Stadt, welche mich nun empfängt, machen alles heute ertragene
wett. Die Häuser in den gemütlichen Straßen und Gassen sind vorwiegend mit
hellem Granit verkleidet. Deren Anblick hinterlässt etwas Zeitloses, Helles.
Die Bewohner geben etwas zurück, wenn man auf sie zukommt, schwer zu beschreiben.
Ich möchte sagen, mich umgibt eine lokale Freundlichkeit.
Die
„Guardia Civil “ finde ich im Rathaus, die Tür des
Büros steht offen, die beiden Polizisten fragen nach dem Pass, stempeln
natürlich und zeigen den Weg zur Herberge. Es geht noch mal bergauf. Nun stehe
ich vor einem altehrwürdigen Gebäude. Es hat den Anschein, dass diese Herberge
aufwändig saniert worden ist und jetzt als kleines Juwel den Pilgern zur
Verfügung steht. Die Herberge und das Umfeld laden ein, aber die Tür ist
verschlossen, keine Klingel, kein Hinweis verrät mir, wie ich hineinkomme. Wie
wäre es denn mit klopfen? Da die Eingangstür, dem Gebäude angemessen, ziemlich
massiv ist, poltere ich regelrecht mit der Faust gegen die Tür. Stille.
Dann
regt sich etwas, ein Fenster öffnet sich im oberen Stockwerk. Meine Freude ist
groß, als ich Claudio erkenne und er von oben „Hallo Rudi“ ruft. Er kommt
herunter und öffnet mir freudig die Tür. Wir kennen uns nicht und doch kennen
wir uns. Das Phantom Klauspatricia spukt in Claudios
„News“.
Klaus
hat, nachdem er etwas Unrechtes gegessen hat, den ganzen Schmaus wieder
hervorgebracht. Aufgrund akuter Beschwerden, hat er letztendlich unterwegs
einen Arzt aufgesucht.
Die
Herberge ist nicht übermäßig belegt, so finde ich, nachdem ich auch Patricia
begrüßt habe, ein freies Bett zum Ausspannen. Die Abläufe in den Herbergen sind
meist immer die gleichen. Zuerst wird das Umfeld erkundet, Räume, sanitäre
Anlagen, Mitbewohner, Betten, Fenster. Hat man dann sein Lager gefunden,
bekommt erst einmal der Rucksack seinen Platz. Dann folgt Entspannung pur, die
Füße werden von den Schuhen befreit. Die Liege wird mit dem ausgerollten
Schlafsack endgültig als auf diesen Tag begrenztes Eigentum deklariert. Dieses
hat aber nichts mit diesen Swimmingpool-Liegen-Handtuch-draufleg-Orgien in den
Ferienhotelburgen rund um das Mittelmeer zu tun, welche ich glücklicherweise
wirklich nur vom Erzählen her kenne.
Meist
folgt dann ein erfrischendes, die Lebensgeister erweckendes, Duschbad.
Die
SOS-Wäsche dauert nicht so lange, da man die Waschbecken nicht endlos belagern
kann. Es häufen sich zum Glück keine Wäscheberge an, da die Auswahl und die
Stückzahl der Sachen sehr begrenzt sind. Socken, T-Shirt, Slip, Unterhemd und
alle zwei bis drei Tage im Wechsel eine Hose oder ein Handtuch. Sind diese
Abläufe erledigt, folgt bei mir der kurze Erholungsschlaf. Dabei stört mich gar
nichts, eher umgedreht, da ich im Tiefschlaf doch ziemlich laut schnarchen
kann.
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