JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
predigte die Armut, ging zu den armen Leuten und war überzeugt, dass nur die Armen in den Himmel kommen. So, leicht übertrieben, die gängige Zusammenfassung in Sachen Bibel und Finanzen. Ich habe in meiner Ausbildung zum evangelischen Pfarrer gelernt, einen Bibeltext nie aus dem Gedächtnis zu zitieren, sondern immer die Bibel aufzuschlagen und den genauen Wortlaut zu lesen. Er ist meist viel facettenreicher und widerspenstiger als unsere »geglättete«, ungenaue Erinnerung daran. Lassen Sie uns daher einige der über 50 Jesus-Geschichten genauer ansehen, in denen es direkt oder indirekt um Geld geht.
Dass Jesus nicht aus armen Verhältnissen stammte, hatten wir schon im Kapitel über seine Geburt gehört. Ebenso das erstaunliche Detail, dass der neugeborene König der Juden schon zu Beginn seines Lebens mit Gold beschenkt wurde. Der Jünger Judas verwaltete die Kasse - besitzlos war die Truppe Jesu also nicht. Ob Jesus als umherziehender Rabbi von Spenden gelebt hat oder sich vielleicht ab und zu als Zimmermann verdingt hat, darüber erfahren wir in den Evangelien nichts.
Gott und Geld schließen sich aus
In seiner berühmten Bergpredigt spricht Jesus so kraftvoll und kompromisslos über das Geld wie sonst selten:
»Ihr sollt nicht Schätze sammeln hier auf Erden,
Schätze, die von Motten und Rost gefressen werden
und von Dieben gestohlen. Sammelt euch Schätze
im Himmel! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch
dein Herz. Niemand kann zwei Herren dienen.
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.«
Matthäus 6,19-24
Es hat immer wieder Versuche gegeben, diese klare, ja schroffe Aussage so lange abzumildern, bis es am Ende hieß: Das kann er wohl nicht so radikal gemeint haben; irgendwie kann man schon Gott dienen und ein bisschen Mammon dabei haben.
In der amerikanischen Tradition versucht man es mit dem Umweg über den Segen: Wenn Gott es gut mit einem meint, dann gibt er einem Segen, und zwar auch den materiellen.
Ein anderer Weg, um Gott und Mammon gleichzeitig zu haben, ist das Gelübde der Armut bei den Mönchen und Nonnen, also absolute Besitzlosigkeit des Einzelnen. Ordensleute tragen jedoch kein wirtschaftliches Risiko wie die Armen. Ordensleute besitzen persönlich nur wenig, aber die Orden und Klöster stellen alles Notwendige zur Verfügung. Die Orden selbst waren und sind alles andere als besitzlos. Nur wenn ein Mann oder eine Frau den Orden verlässt, dann ist er plötzlich in einer Situation wie die Armen im Neuen Testament, ohne jede Absicherung, ohne geregeltes Einkommen und ohne Ansehen. Es kommt immer wieder vor, dass ehemalige Mönche und Nonnen ohne jeden Altersschutz dastehen und von der Sozialhilfe leben müssen. Das kann keine Lösung sein.
Dann gibt es das protestantische Modell: Man hat zwar Geld und lebt ein mittelständisches, unauffälliges Leben wie alle anderen, man »fühlt« sich dabei aber irgendwie besitzlos. Materiell ist man zwar nicht arm, aber doch auf jeden Fall »unreich«. Man hat Geld, mag es aber nicht wirklich und genießt es auch nicht. Damit, so die Idee, erfüllt man das Gebot Jesu doch wenigstens emotional. Nein. So kann man, glaube ich, Jesus auch nicht verstehen.
Radikal alles weggeben
Jesus mag keine unklaren, halben Sachen. Jesus ist fasziniert von Menschen, die radikal sind, weil er selbst sehr radikal gelebt und gedacht hat. Von einer radikalen Frau berichtet eine Geschichte, die im Tempel von Jerusalem spielt.
Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein, das macht zusammen einen Pfennig.
Da rief Jesus seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen:
Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr
in den Gotteskasten gelegt als alle anderen, die etwas
eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem
Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre
ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.
Markus 12,41-44
Wenn ich mir diese Szene bildlich vorstelle, finde ich zunächst eine Antwort auf die reizvolle Frage, was Jesus eigentlich den ganzen Tag gemacht hat. Er hätte doch seine knappe Lebenszeit intensiv nutzen müssen, unentwegt predigen, Kranke heilen, eine stabile Organisation aufbauen. Stattdessen hat er sich auf zwölf Schüler beschränkt, ab und zu gepredigt, ab und zu geheilt, und - ganz orientalisch - im Schatten gesessen, sich unterhalten oder
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