JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
dankbar sein, dass er durch einen anderen Menschen die Gaben Gottes empfängt. Und dass sein Herz offen genug ist, diese Gabe anzunehmen.
Aber warum, so würde ich selbst gerne nachfragen, warum hast du, Jesus, die Armut gewählt? Und ich höre ihn antworten: Das habe ich getan, um euch ein lebendiges Zeichen zu sein. Die armen, unterdrückten und verachteten Menschen können euch die wichtigsten Wahrheiten lehren für richtungweisende Erkenntnisse im Leben. Denn es gibt in eurer Seele einen Teil, den ihr unterdrückt und verachtet, und das ist die arme Frau oder der arme Mann in eurem Inneren. Diese kleine, unscheinbare und oft übersehene Gestalt möchtet ihr am liebsten verleugnen. Aber sie hält für euch die wichtigsten Gaben bereit.
JesusLuxus-Anregung: Lesen Sie die Bibel wie ein Filmregisseur
In der Bibel stehen nur selten Regieanweisungen. Wir wissen nicht den Tonfall, in dem Jesus bestimmte Sätze gesprochen hat, wer zugehört hat, welche Tageszeit und wie das Wetter war. Wenn Sie einen Bibeltext lesen, dann stellen Sie sich vor, Sie wären ein Filmregisseur und müssten am nächsten Tag die Szene drehen. Was sollen die Bühnenbildner bauen?
Welche Statisten brauchen Sie? Welche zusätzlichen Dialoge müssen Sie schreiben? Was tun die Schauspieler - spricht Jesus beispielsweise im Sitzen, Stehen, oder geht er dabei? Wo sind Pausen?
In der vorliegenden Geschichte höre ich Unmut und Zorn in Jesu Stimme: »Sie hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte!« Ich sehe, wie Jesus mit der Hand auf den Boden schlägt: »Seht euch diese religiöse Ausbeutung an! Den Ärmsten der Armen ziehen sie die letzten Pfennige aus der Tasche!«
Ich bin überzeugt, dass Jesus die Scherflein der Witwe im Gotteskasten, die zur Instandhaltung des Tempels verwendet werden, für schlecht angelegtes Geld hält. Denn - und hier noch ein Tipp für Bibelregisseure: Lesen Sie stets die Episode vor und nach dem Text, den Sie »verfilmen« möchten - direkt nach seiner Bemerkung über die Scherflein der Witwe verlässt Jesus mit seinen Jüngern den Tempel. Sie bewundern die gewaltigen Quader, aber Jesus sagt: »Kein Stein wird hier auf dem anderen bleiben, und jeder wird zerbrochen werden.« Genau so ist es tatsächlich gekommen, als die Römer gut 30 Jahre später das religiöse Zentrum der Juden dem Erdboden gleichgemacht haben. Die Jünger bestaunen die prachtvollen Mauern des Tempels, sie sind beeindruckt vom alten System, aber Jesus warnt: »Das alles hier zerfällt. Haltet euch nicht fest an der äußeren Pracht. Sie ist bald kein Scherflein mehr wert.«
Jesus freut sich, wenn Menschen im Laufe ihres Lebens Kontakt bekommen mit dieser armen Gestalt in ihrer Seele. Das ist ein Ziel, auf das hin zu leben sich lohnt. So wie Martin Luthers letzte Worte auf seinem Sterbebett, die das Thema Geld auf die vielleicht einfachste Formel bringen: »Wir sind Bettler, das ist wahr.«
Jesus und der reiche Jüngling
Eine andere berühmte Geldgeschichte spielt auf dem Land, in Galiläa. Mitten auf der Straße kniet ein junger Mann vor Jesus nieder und ruft ihm zu:
»Was muss ich tun, um das ewige Leben zu erhalten?« Jesus fragt ihn die klassischen Gebote ab. Ja, sagt er auf den Knien, die habe ich gehalten. Jesus, so heißt es ausdrücklich, gewinnt diesen jungen Mann lieb.
Dann sagt er:
»Eins fehlt dir noch. Geh hin, verkaufe
alles, was du hast, gib es den Armen,
so wirst du einen Schatz im Himmel
haben. Dann komm und folge mir
nach .« Als der Mann das hörte , war
er enttäuscht und ging traurig fort,
denn er hatte viele Güter.
Jesus sah seine Jünger der Reihe
nach an und sprach: »Wie schwer
werden die Reichen ins Reich Gottes
kommen!« Die Jünger erschraken
über dieses Wort, aber Jesus sagte
wiederum: »Liebe Kinder, wie schwer ist’s, ins Reich
Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel
durchs Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich
Gottes komme.«
Markus 10,17-27
Es wird nicht berichtet, wie es mit dem jungen Mann weitergeht. Das ist eigentlich gut so, denn dadurch ist in dieser Erzählung Platz für uns selbst. Wenn ich der reiche Jüngling wäre, so denke ich mir jedes Mal beim Hören dieses Berichts, was wäre da in mir vorgegangen? Ich stelle mir vor, dass diese kurze Begegnung mit Jesus mein Leben verändert. Dass diese Traurigkeit der Startpunkt ist für etwas ganz Neues. Etwas, das langsam wächst, das Vorbereitung braucht, anders als bei den Jüngern
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