JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens
einfach den Menschen zugeschaut. Diesen JesusLuxus hat er sich gegönnt.
Das Ganze ereignete sich im Tempel, dem Zentrum der Hauptstadt und dem Zentrum des Landes. Die Gotteskästen befinden sich im Vorhof der Frauen. Hier dürfen alle hin, Männer und Frauen. Hier ist besonders viel los. Es gibt etwas zu sehen. Viele Reiche sind dabei, heißt es. Es wird nicht berichtet, dass Jesus dabei angewidert weggeschaut hätte. Jesus beobachtet ohne Urteil, und er macht keine allgemeine Lebensregel aus dem, was er sieht. Die arme Witwe hat ihn ganz offensichtlich fasziniert - und gleichzeitig vielleicht auch schockiert. Der Gotteskasten, in den die Witwe ihre ganze Habe legt, war kein Klingelbeutel oder eine Armenkasse, aus der die besonders Bedürftigen der Gemeinde unterstützt werden. Im 2. Buch der Könige im Alten Testament wird genau beschrieben, dass das, was in den Gotteskasten kommt, ausschließlich der Erhaltung des Tempels dient. Früher einmal war es in Israel üblich gewesen, dass die Gläubigen das Geld für den Tempelbau einfach den Priestern gaben. Als dieses Geld aber regelmäßig in den privaten Taschen der Geistlichen versickerte, kam König Joasch auf die Idee mit der großen Kiste, oben mit einem so kleinen Loch, dass man nichts wieder herausnehmen konnte. Der Gotteskasten wurde öffentlich aufgestellt und durfte nur im Beisein eines königlichen Beamten geöffnet werden. Dabei wurde genau darüber gewacht, dass von dem Geld nur die Ausbesserungsarbeiten am Heiligtum bezahlt wurden. Eine clevere Antikorruptionsmaßnahme, die viele Jahrhunderte beibehalten wurde, bis in die Zeit Jesu.
Es ist also keine diakonische oder soziale Tat, die die Witwe mit ihrer Spende vollbringt, sondern religiöses Engagement mit dem Ziel, den baufälligen Tempel instandzuhalten.
Unmittelbar vor der Erzählung vom Scherflein der Witwe warnt Jesus seine Freunde vor den Schriftgelehrten, die gern obenan in den Synagogen sitzen und, wie er sagt, »die Häuser der Witwen fressen«. Witwen waren der Inbegriff von armen, rechtlosen Menschen. Sie gehörten zu den Verlierern, wenn nicht sogar zu den Opfern des Systems. Und solchen Menschen, sagt Jesus, nehmen die frommen Schriftgelehrten auch noch das Letzte von dem weg, was sie haben.
Was mag Jesus gedacht haben, als er am Gotteskasten die Witwe ihre gesamte Habe spenden sah? Vielleicht hat er sich überlegt, was mit diesen Scherflein geschieht: Die Schriftgelehrten werden den Kasten öffnen, wenn er voll ist, und das viele Geld mitsamt den Scherflein der Witwe zur Renovierung des Tempels ausgeben. Kurzum: Die Schriftgelehrten werden die Habe der Witwe fressen.
Die klassische Auslegung der Geschichte von den Scherflein der Witwe lautet: Macht es so wie diese Frau und gebt alles, was ihr habt, für einen guten Zweck. Kann Jesus das bei einer armen Frau im Ernst gemeint haben? Warum sollte eine arme und alte Frau, die mit Müh und Not überlebt, ihr letztes bisschen Geld zur Verschönerung des Tempels spenden? Kann es der Sinn einer Religion sein, dass die Tempel in aller Pracht erstrahlen, die Gläubigen aber vor den Toren des Tempels hungern und betteln gehen müssen?
Schlechte Armut, gute Armut
Es gibt eine schlechte Armut, die innere Armseligkeit, und die ist völlig unabhängig vom Besitzstand. Wer nur nehmen kann, ist armselig, und wenn er Millionen besitzt. Es gibt auch armselige arme Menschen, die nur nehmen und vergessen, dass auch sie etwas zu geben haben, nämlich ihre Zeit, ihre Freundlichkeit, ihre Dankbarkeit und ihren Segen.
Die gute Armut lässt sich das Teilen nicht nehmen. Das hat Jesus an der armen Witwe im Tempel fasziniert: Sie hat ihre Würde behalten. Sie hat das wenige, was sie besaß, gegeben - ohne großes Aufheben darum zu machen. Nicht nach dem berühmten Reiche-Leute-Spruch des Multimillionärs Henry Ford, »Tue Gutes und rede darüber«, nein, sie hat ihre Würde behalten, weil sie es so unspektakulär tat, dass Jesus genau hinsehen musste, um zu erkennen, dass sie Geld in den Gotteskasten legte. Sie gab in einer würdevollen Weise, weil sie es sich nicht nehmen lassen wollte. Das ist die Freiheit auch in der Armut.
»Wenn jemand spendet, sollen beide, der Gebende und der Beschenkte, daran denken, dass der Dank Gott gebührt«, schrieb der christliche Eremit Markus im Jahre 400. Der Gebende soll dankbar sein, dass Gott durch ihn seine Gaben weitergibt und sein Herz offen genug ist, um von seinem Besitz etwas loszulassen. Der Beschenkte soll
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