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JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens

Titel: JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Tiki Kuestenmacher Werner Tiki K stenmacher
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Lernen Sie daraus für Krisen: Sehen Sie in Notzeiten auf Ihre Guthabenseite. Was haben Sie noch für Möglichkeiten? Was können Sie? Wer kann Ihnen helfen? Ziehen Sie sich nicht resigniert zurück, sondern probieren Sie etwas Neues, gerade jetzt! Wenn Sie wirklich tief gefallen sind, öffnet sich oft eine neue Tür, die Sie bisher gar nicht kannten. Katastrophen können gute Freunde werden!

Der Luxus des Trauerns: Jesus singt sterbend einen Psalm
    Es gibt Zeiten, da ist das Leben selbstverständlich. Da gibt es keinen Zweifel, dass nach dem Tag ein nächster Tag kommt. Da gibt es Pläne, Ziele, Zukunft. Da freut man sich - still oder auch einmal lautstark -, dass man am Leben ist.

    Aber manchmal kommt einem diese Selbstverständlichkeit abhanden. Da staunt man, dass man es überhaupt bis hierher geschafft hat. Da lebt man nicht mehr, sondern funktioniert nur noch. Und manchmal nicht einmal mehr das. Der Kontakt zu den eigenen Gefühlen ist völlig abgerissen. Die selbstverständlichsten Tätigkeiten gelingen nicht mehr, jeder kleinste Anfang erscheint wie ein unüberwindlicher Achttausender. Das Aufstehen fällt unendlich schwer, der Schlaf bringt keine Erholung.
Im Tal der Depression
    Dann ist es dunkel in einem. »Depression« sagt man dazu. Auf Deutsch heißt das »Tal« oder »Vertiefung«. Da geht es bergab, man fühlt sich nach unten gezogen. Aber »Depression« ist nur eine Etikettierung, ein Versuch, einem eigentlich unbeschreiblichen Zustand einen Namen zu geben. Viele Menschen, die in einer Depression stecken, können gerade diesen Tatbestand Depression nicht sehen. Sie denken nicht, dass sie sich verändert haben, sondern dass die Welt anders geworden ist. Dass ihnen alles feindlich gesinnt ist.

    Anderen ist ihr depressiver Zustand durchaus bewusst, aber diese Einsicht hilft kaum weiter. Manchmal fühlt sich eine Depression auch gar nicht depressiv an: Man ist nicht niedergeschlagen, sondern wütend und böse. Ich möchte hier deshalb nicht von Depression sprechen, sondern bei dem allgemeineren Bild bleiben: innere Dunkelheit.
Rilke entdeckt die Kraft des Dunkels
    Einen besonders wirksamen Trost für dunkle Stunden habe ich bei Rainer Maria Rilke gefunden. Wenige Wochen vor der Wende zum 20. Jahrhundert, im Jahr 1899, hat er in Berlin ein Gedicht geschrieben, das mir wie Medizin erscheint gegen die Begleiterscheinungen seelischer Verfinsterungen.

I ch liebe meines Wesens Dunkelstunden,
in welchen meine Sinne sich vertiefen;
in ihnen hab ich, wie in alten Briefen,
mein täglich Leben schon gelebt gefunden
und wie Legende weit und überwunden.
    Aus ihnen kommt mir Wissen, dass ich Raum
zu einem zweiten zeitlos breiten Leben habe.
Und manchmal bin ich wie der Baum,
der, reif und rauschend, über einem Grabe
den Traum erfüllt, den der vergangne Knabe
(um den sich seine warmen Wurzeln drängen)
verlor in Traurigkeiten und Gesängen.
    »Ich liebe meines Wesens Dunkelstunden« - in dieser Zeile stecken gleich zwei tröstliche Entdeckungen. Rilke liebt, was die meisten Menschen sonst verabscheuen: die dunklen Stunden, in denen sich das Gemüt verfinstert und die Schwermut über einen kommt. Das ist eine große Leistung, die Finsternis in sich mit offenen Augen zu erforschen und es zu wagen, dieses Dunkel zu lieben und zu umarmen. Das Dunkel ist keine Störung, sondern es gehört zum Wesen des Menschen.
Depressive Verstimmungen als kostbarer Luxus
    Wozu aber ist dieses Dunkel gut? Ist es nur ein Betriebsunfall, ein Konstruktionsfehler, den man reparieren muss? Nein, gerade in diesem Dunkel sieht ein Mensch etwas, das er im Licht nicht sehen kann. Die Sinne vertiefen sich. Das Sehen, Hören, Fühlen, vom Außen nicht mehr abgelenkt, geht nach innen. Die Dunkelstunden sind ein Geschenk, eine besondere Gabe, ein wertvolles Luxusgut ganz eigener Art. In unseres »Wesens Dunkelstunden« steigen Sie hinunter - ins Archiv. In diesen dunklen Stunden, sagt Rilke, »hab ich, wie in alten

    Briefen, mein täglich Leben schon gelebt gefunden und wie Legende weit und überwunden«. Alte Briefe, das ist ein schönes Bild für all das, was Sie in Ihrem Leben erlebt und im Gedächtnis abgeheftet haben. Was Sie getan und gefühlt haben, wie andere Sie gesehen haben. In den dunklen Stunden meldet sich vieles davon zu Wort. Wenn sich die Seele verfinstert, erscheint das Geschehene doppelt unerbittlich: Die guten Erinnerungen sind unwiederbringlich vergangen, die schlechten Erinnerungen sind auf erbarmungslose Weise

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