Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens

Titel: JesusLuxus - Die Kunst wahrhaft verschwenderischen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Tiki Kuestenmacher Werner Tiki K stenmacher
Vom Netzwerk:
ist.
Da spricht Jesus zu ihr: »Frau, was weinst du?
Wen suchst du?« Sie meint, es sei der Gärtner,
und spricht zu ihm: »Herr, hast du ihn weggetragen,
so sage mir, wo du ihn hingelegt hast, so will ich
ihn holen.«
    Da spricht Jesus zu ihr: »Maria!«
Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf
Hebräisch: »Rabbuni!«, das heißt: »Meister!«
Spricht Jesus zu ihr: »Rühr mich nicht an, denn ich
bin noch nicht zurückgekehrt zum Vater. Aber geh
zu meinen Brüdern und sag ihnen von mir: Ich kehre
zurück zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem
Gott und eurem Gott.« Maria von Magdala geht.
Und verkündigt den Jüngern: »Ich habe den Herrn
gesehen, und das hat er zu mir gesagt.«
Die Magdalenensekunde
    Engel durchbrechen die Zeit. Halb wach, halb im Traum. Bilder aus der Vergangenheit fliegen vorbei. Die Zukunft reißt auf wie Nebel, der verschwindet. Die Engel im Grab geben keine Antwort. Aber ihre Anwesenheit zeigt, dass es eine Antwort gibt. Das ist die Eigenart von Engeln.
    Die Antwort steht hinter Maria Magdalena. Sie dreht sich um. Grabkammern zeigen nach Osten, sie schaut gegen die aufgehende Sonne, sieht die Gestalt nur als Schattenriss. Die Gestalt fragt, genau wie die Engel. Und Maria erzählt von ihrem Kummer.

    Was nun folgt, nennt der deutsche Schriftsteller Patrick Roth die »Magdalenensekunde«. Sie entsteht durch ein einziges Wort: »Maria«. Sie wird beim Namen gerufen. Dann kann es nicht der Gärtner sein. Vielleicht erkennt sie die Stimme. Jedenfalls ein Moment nächster Nähe, Bilder aus der Vergangenheit werden wach. So hat er sie immer gerufen. Sie erinnert sich an den herrlichen Duft des Öls. Patrick Roth erlebte diese Szene in einer Schauspielschule in Hollywood, wo er als Dramaturg diese Szene aus dem Johannesevangelium möglichst textgetreu aufführen ließ. Die Frau in der Rolle der Maria Magdalena stockt. Sie hatte sich der Gestalt, die sie für den Gärtner hält, doch zugewandt. Nun soll sie antworten, und im Text steht noch einmal: »Da wandte sie sich um.« Warum dreht sich Maria Magdalena zweimal um?
    Die Vorrede des Johannes zu seinem Evangelium endet mit einem großen Wort: »Niemand hat Gott je gesehen.« Jeder Jude wusste das. Wer Gott sieht, muss sterben. Mose, Elia und Jesaja verhüllten ihr Angesicht, als sie in der Nähe Gottes standen. In der Magdalenensekunde erkennt Magdalena, wer Jesus wirklich ist: Der auferstandene Herr ist Gott selbst. Sie wendet sich ab. Keiner hat Gott je gesehen. Der Jesus vor seinem Tod und der Jesus nach seinem Tod ist ein anderer. Es ist ein unendlicher Unterschied. Es ist der Unterschied zwischen Mensch und Gott. Magdalena erschrickt. Rückwirkend wird ihr klar, wer er die ganze Zeit schon war.
    In der Magdalenensekunde geschieht eine Umwälzung von unvorstellbarem Ausmaß. Die Liebe einer Frau erweitert sich vom Menschlichen ins Göttliche, vom Endlichen ins Universale. Und das passiert ganz lautlos. Sie ahnte schon das Göttliche im Menschen Jesus, so wie sie den Menschen Jesus im göttlichen Auferstandenen ahnt. Jetzt könnte sie sich ein drittes Mal umdrehen, ihm wieder ins Angesicht sehen und erleben, dass sie dabei nicht stirbt.
    Ist der unendliche Unterschied zwischen menschlichen und göttlichen Dimensionen nun vorbei? Wird alles wieder so wie vorher? Könnte sie wieder vor ihm knien, seine Füße mit Duftöl begießen und mit ihren Haaren trocknen? Nein. »Rühr mich nicht an«, sagt Jesus. Eine Woche später wird er zu seinem Jünger Thomas das Gegenteil sagen: »Reiche deinen Finger her!« Aber dann wird er einen bemerkenswerten Rückzieher machen: »Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.« Man könnte sagen: Selig sind, die sich abwenden von dem Göttlichen, die ihr Angesicht verhüllen, die den unendlichen Unterschied zwischen Mensch und Gott nicht verwischen wollen. Die sich freuen am Göttlichen in jedem Menschen. Die jubeln können über die göttliche Dimension jeder Liebe. Selig sind, die sich freuen können über den schönen alten Sponti-Spruch: »Mach’s wie Gott, werde Mensch!« Und die wissen, dass das Gegenteil ebenso wahr ist, dass Gott uns verwandeln will in Wesen, die ihm gleichen. Die sich für die Liebe entscheiden wie Maria, die Mutter Jesu. Die seine Nähe bezeugen wie Maria Magdalena, die erste Zeugin der Christenheit. Die wie Gott das Lied der Liebe singen.

    JesusLuxus-Anregung: Gewöhnen Sie sich das Wort »Christus« an
    Was ist der Unterschied zwischen Jesus und Christus? Jesus

Weitere Kostenlose Bücher