Jetzt! - die Kunst des perfekten Timings
nicht hinterher. Sobald eine Sache entschieden ist, ist Widerspruch buchstäblich »nicht in Ordnung« (geschlossenes Zeitfenster). Jonathan hat die normale Sequenz umgekehrt. Folglich ist jeder Widerspruch schwierig und riskant.
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Abb. 7.1: Sequenzumkehr
Für Probleme der Sequenzumkehr gibt es jedoch Lösungen. Drei möchte hier anführen.
Erneute Umkehrung
Sie könnten die Sequenz erneut umkehren und das Diskussionsfenster öffnen, indem Sie behaupten, dass noch keine Entscheidung gefallen sei. Sie könnten also sagen:
(2) Ich glaube nicht, dass wir die Entscheidung heute treffen müssen, daher würde ich die Frage gern erneut zur Diskussion stellen.
Eine solche Äußerung stellt allerdings die Autorität des Präsidenten offen infrage. Niemand wird so etwas sagen. Zwei andere Lösungen haben bessere Chancen.
Maßstabänderung
Wenn sich die Sequenz »erst Debatte, dann Entscheidung« irgendwie ignorieren ließe, würde das Problem der Sequenzumkehr gar nicht existieren. Eine Möglichkeit, das zu erreichen, wäre, aus der fernen Zukunft zurückzublicken. Wer erinnert sich in fünf Jahren noch an das genaue Timing der Vorgänge? Also könnten Sie sagen:
(3) Also, das Wichtigste ist nicht, ob wir die Entscheidung heute oder nächste Woche fällen. Wenn wir in fünf Jahren zurückblicken, wird das Wichtigste sein, ob wir das Richtige getan haben, nicht,an welchem Tag oder in welcher Woche wir darüber entschieden haben.
Größere zeitliche oder räumliche Distanz verringert unsere Fähigkeit, Gegenstände und die Zeitspannen zwischen ihnen zu unterscheiden. Was wir aus der Nähe als unterschiedlich wahrnehmen, verschwimmt und verschmilzt aus einem gewissen Abstand.
Irrelevanz behaupten
Der Zweck einer Handlung bestimmt den richtigen Zeitpunkt. In diesem Beispiel dient das Meeting zwei Zwecken. Erstens soll es eine bereits getroffene Entscheidung ratifizieren. Zweitens soll es »den neuesten Stand klären«. Wenn der zweite Punkt Zweck des Meetings ist, wird die Sequenzumkehr irrelevant, weil keine Entscheidung notwendig ist.
(4) Aber Jonathan, sagten Sie nicht, dass es Zweck des Meetings ist, den neuesten Stand zu klären? Wir tun so, als ob wir jetzt eine Entscheidung fällen müssten.
Den Zweck des Meetings umzudefinieren ist jedoch nicht ohne Risiko. Das können im Grunde nur die Verantwortlichen tun. Ein Untergebener kann es nicht, ohne seine Befugnisse zu überschreiten.
Die Interpunktionslinse
Die Interpunktionslinse lenkt unsere Aufmerksamkeit auf Kommas, Pausen, Punkte und andere Zeichen, die den kontinuierlichen Zeitfluss gliedern. Interpunktionszeichen und ihre Platzierung können auf unterschiedliche Weise dazu beitragen, gute Bedingungen für einen wirkungsvollen Widerspruch zu schaffen.
Interpunktion setzen
Das Schweigen von Teilnehmern ist nicht nur auf Angst zurückzuführen, etwas zu sagen, oder auf das Gefühl, sie hätten nichts zu sagen. Vielmehr liegt es häufig daran, dass es dem Verlauf des Meetings und dem Zeitfluss an innerer Interpunktion fehlt. Ein Moment geht in den nächsten über, der wiederum mit dem vorhergehenden verschmilzt und auf ihn folgt. Und bevor Sie wissen, wie Ihnen geschieht, ist das Meeting vorbei. Interpunktion muss bewusst gesetzt werden. Sie könnten beispielsweise ausdrücklich um eine Pause bitten:
(5) Könnten wir einen Moment Pause machen und versuchen, über die Sache nachzudenken?
Normalerweise kann nur eine Führungskraft eine Pause verlangen, deshalb habe ich den Vorschlag als Frage formuliert. Eine weitere Option hängt vom Timing ab. Je länger eine Sitzung dauert und je komplexer die Themen werden, umso angemessener erscheint die Bitte: »Könnten wir einen Moment Pause machen, um zu sehen, wo wir stehen?« Die Antwort kann die Form einer Zusammenfassung annehmen – und diese bietet die Gelegenheit, sich für eine Vertagung auszusprechen.
Interpunktionszeichen verschieben
Im Kapitel über Interpunktion habe ich ausgeführt, dass ein Ereignis wie die Markteinführung eines Medikaments sich mit der Vergangenheit oder der Zukunft koppeln lässt. Man kann sie als letzten Schritt des langen Entwicklungsprozesses sehen, den man zum Abschluss bringen will, oder als ersten Schritt einer neuen Marketingkampagne, bei der Vorsicht geboten ist, weil es auf den ersten Eindruck ankommt. Wenn Sie also einen Prozess verzögern möchten, könnten Sie sagen:
(6) Wir sollten die ersten Schritte richtig machen, um Konsumenten einen guten
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