Jetzt ist gut, Knut (German Edition)
sie kaufen wolltest?« – »Das ist doch jetzt ganz egal.« – »Ich würde es aber gern wissen.« Sein Blick hielt meinen fest. »Bitte.« – »Am Anfang nicht. Als Erstes hab ich an eine Weltreise gedacht. Einmal im Leben ganz weit wegfahren, Länder sehen, in die ich sonst nur in meiner Phantasie kommen würde. Und natürlich an ein paar schöne Klamotten, so was eben. Ein bisschen was Aufregendes, ein bisschen Luxus. Abwechslung vom Alltag, du weißt schon.« Ich zupfte ein Haar von meinem Rolli. »Auf die Idee mit der Wohnung hat mich erst Marie-Anne gebracht. Ich … ich wollte plötzlich jemand sein, der ich gar nicht bin. Und eigentlich auch nicht sein will. Apropos Marie-Anne. Letzte Woche war ich noch mal bei diesem Kommissar.« Wieder ging er darüber hinweg. »Du wolltest mich gar nicht verlassen? Lilli, das ist wichtig für mich.« Er sah mich eindringlich an. – »Na ja, ich hab über eine Auszeit nachgedacht. Weil ich überhaupt nicht mehr an dich rangekommen bin. Marie-Anne meinte …« Ich verstummte mitten im Satz. Gottverdammte Marie-Anne. »Lilli, ich …«
Das Schrillen des Telefons unterbrach ihn. Nach dem dritten Klingeln sprang der Anrufbeantworter an. »Elisabeth, hier spricht dein Vater.« Es war das erste Mal, dass ich die Stimme meines Vaters auf Band hörte. Sonst rief immer meine Mutter an. Merkwürdig. Ich lief ins Wohnzimmer. »Bitte ruf zurück.« Klack. Er war weg, ehe ich den Hörer abnehmen konnte. Ich ging zurück in die Küche.
»Was wolltest du sagen, Knut?« – »Ja, also, ich, ich wollte sagen: Jens hat recht.« – »Jens? Was hat denn Jens damit zu tun?« – »Er hat mir die ganze Zeit gesagt, dass bei uns schon vorher was faul gewesen sein muss. Du weißt schon, ›es gehören immer zwei dazu‹ und so Sachen. Dass ich nicht nur dauernd überlegen soll, was du gemacht hast, sondern bei mir selbst nachgucken.« Na, so was, Kumpel Jens, der Therapeut. »Mir liegt das nun mal nicht so, das Reden. Über Gefühle und Träume und so was. Und ich war wohl auch ein bisschen stur, wenn du hier was verändern wolltest.« Ein bisschen? »Jens hat mir so ein Buch gegeben, über Paare. ›Die Wahrheit beginnt zu zweit‹. Also, ich hab mal drin gelesen. Ist ganz interessant.« – »Bist du sicher, dass es da nicht um die Kommunikation unter Primaten geht?« – »Lilli!« – »’tschuldigung.« Er legte seine Hand auf meine und guckte so, wie er sonst nur guckte, wenn er einen frisch gebackenen Schokoladenkuchen wollte. »Die sagen da, dass man das lernen kann, das Reden. Richtig miteinander reden. Und dass eine Beziehung dann ganz anders wird.« Er wurde rot. »Auch, äh, erotischer.«
Ich glaube, mir stand der Mund offen. Gleich würde der Küchentisch durch die Luft schweben. »Ich möchte versuchen, mich zu ändern. Es ist mir ernst, Lilli, du fehlst mir schrecklich.«
15
F reitagabend, gleich halb zehn. Seit knapp drei Stunden war ich unterwegs. Es hatte angefangen zu schneien. Wenn der Zug an Dörfern vorbeifuhr, tanzten dicke Flocken im Licht von Straßenlaternen. An der Scheibe des Fensters zerschmolzen die Flocken und hinterließen vom Fahrtwind getriebene Bächlein. Nur noch ein paar Minuten. Eben waren wir durch Buldern gekommen. Nächster Halt Dülmen.
Ich war lange nicht mehr hier gewesen. Zuletzt vor zwei Jahren zum siebzigsten Geburtstag meines Vaters. Das war gleichzeitig das letzte Mal gewesen, dass ich meinen Bruder Richard gesehen hatte. Soweit ich meinen Vater verstanden hatte, wurde auch Richard morgen erwartet. Viel hatte Papa am Telefon nicht gesagt. »Wir haben dir und deinem Bruder etwas mitzuteilen. Persönlich.« Wie schon erwähnt, spricht mein Vater nie viel. Es war schon erstaunlich, dass er überhaupt selbst zum Telefonhörer gegriffen hatte. »Warum hat Mama nicht angerufen?« – »Kann sie nicht.« Mehr hatte ich nicht aus ihm herausbekommen. Es war alles ein bisschen mysteriös.
Dick verpackt in eine schwarze Daunenjacke, auf dem Kopf eine Mütze mit großen Ohrenklappen, stand er jetzt neben seinem Benz. »Mach schnell, ist kalt.« Ich gab ihm einen Kuss und stieg ein. »So, Papa, nun spann mich nicht länger auf die Folter. Was ist mit Mama?« – »Stimmbandentzündung. Sie darf nicht sprechen.« Ich prustete los. »Mama und nicht sprechen?« Das war, als wollte man einer Mücke verbieten zu stechen. »Tut mir leid, Papa«, kicherte ich, »aber das kann ich mir einfach nicht vorstellen.« Ich sah genau, dass er unter seiner komischen
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