Jetzt Reichts Mir
vor dem Kritikgespräch Gedanken gemacht. Gut! Aber jetzt besteht die Gefahr, dass Sie aufgrund Ihrer soliden Vorbereitung den anderen gegen die Wand reden. Womöglich haben Sie sich eine lange Rede zurechtgelegt, in der Sie alles ausdrücken wollen, was Sie auf dem Herzen haben. Das ist verständlich, aber viel zu viel für den anderen. Ihr Gegenüber hat gerade etwas Kritisches gehört. Stopp! Das reicht. Jetzt ist Ihr
Gesprächspartner dran. Und der darf nun das sagen, was ihm wichtig ist.
Zuhören, nur zuhören
Bei einer Rückmeldung gibt es auch Gegenverkehr. Nachdem Sie gesagt haben, was Sie stört, darf Ihr Gegenüber sagen, was er (oder sie) darüber denkt. Falls der Betreffende schweigt, lassen Sie ihn/sie schweigen. Gönnen Sie ihm oder ihr die Verdauungszeit. Schweigen ist kein Problem. Wenn Ihr Gegenüber redet, dann hören Sie nur zu. Bitte fallen Sie dem Betreffenden nicht gleich ins Wort, nur weil er vielleicht etwas Falsches sagt. Er darf alles sagen. Er darf sich rechtfertigen, die Sache erklären, sich rausreden oder die Fakten anders darstellen. Er darf sein Gesicht retten oder anderen Leuten die Schuld geben. Schlicht gesagt: Er darf seine Meinung äußern, ohne dass Sie ihn unterbrechen. Sie sind still und hören nur zu (ich weiß, das kann anstrengend sein).
Steuern Sie auf eine Vereinbarung zu
Was passiert ist, ist passiert. Die Vergangenheit ist vorbei. Daran lässt sich nichts mehr ändern. Jetzt geht es um die Zukunft. Es geht darum, eine Vereinbarung zu treffen, damit es künftig besser läuft. Vereinbarungen, Absprachen, neue Regelungen – darauf laufen viele Gespräche hinaus. Welche Lösung oder Regelung bevorzugen Sie? Sagen Sie, was Sie sich wünschen. Und auch hier gilt ganz besonders: Finden Sie klare Worte, mit denen Ihr Gegenüber etwas anfangen kann. Kein Wischi-Waschi-Geschwafel und auch keine Sonntagsreden. Ihr langes Lamento über »mehr Rücksicht« können Sie sich sparen. Werden Sie praktisch und konkret. Reden Sie über die berühmten W-Fragen: Wer soll was, wann, wo tun oder nicht mehr tun?
Auch wenn diese Strategie aus vielen Schritten besteht, die meisten davon betreffen das Weglassen: Verzichten Sie auf lange Monologe. Lassen Sie den Spott, die Sticheleien, die dummen Sprüche und andere Bissigkeiten weg. Verzichten Sie auf psychologische Analysen und pauschale Verallgemeinerungen. Ja, ein brauchbares Feedback ist knapp, sehr genau und verständlich.
Schlechtes Timing für ein kritisches Feedback
Nur weil jemand da ist, heißt das nicht, dass Sie dieser Person auch sagen können, was Sie stört. Denn Anwesenheit ist nicht gleich Aufnahmefähigkeit. Einfacher gesagt: Es gibt Situationen, in denen Sie besser auf eine kritische Rückmeldung verzichten. Egal, wie wichtig oder berechtigt Ihr Feedback auch ist, manchmal kann Ihnen Ihr Gesprächspartner einfach nicht folgen.
Hier ein paar Situationen, in denen Sie den anderen besser nicht kritisieren:
• Sie wollen Ihrem Schatz sofort sagen, dass das Sushi, das er gerade fabriziert hat, ein wenig versalzen ist. Leider hat sich Ihr Schatz gerade mit dem ultra-scharfen japanischen Küchenmesser in den Daumen geschnitten und blutet sehr stark.
• Sie wollen jetzt Ihrer Freundin sagen, dass sie auf dieser Landstraße viel zu schnell fährt. Bevor Sie ein Wort rausbekommen, drückt Ihre Freundin noch mal extra aufs Gaspedal, um vor der nächsten Kurve eine Gruppe von zehn Motorradfahrern zu überholen.
• Sie machen mit Ihrer Mutter einen Spaziergang. Dabei
wollen Sie ihr endlich sagen, dass Sie sich von ihr nicht mehr bevormunden lassen. Aber leider haben Sie sich mit ihr im Naturschutzgebiet verlaufen. Es regnet in Strömen, der Wind hat Orkanstärke erreicht und es gibt weit und breit keinen Handyempfang.
• Jetzt möchten Sie Ihrem fünfzehnjährigen Sohn ein paar kritische Worte zu seinen Schulleistungen sagen. Sie klopfen an seine Zimmertür und finden Ihren Sohn auf dem Bett, wo er mit seiner ersten Freundin herumknutscht.
• Sie würden den schrägen Typen, der sich in der Warteschlange vorgedrängelt hat, gern kritisieren. Aber der Typ spielt gerade mit seinem Klappmesser und grummelt ständig: »Ich bring sie alle um! Ich werde alle töten!«
Fazit: Bevor Sie Ihr Gegenüber kritisieren, achten Sie darauf, ob dieser Mensch auch wirklich aufnahmefähig ist.
Die Kluft zwischen Wissen und Tun
Viele Leute wissen, wie man sachlich kritisiert. Sie, liebe Leserin bzw. lieber Leser, wissen das
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