Jetzt schlaegts dreizehn
Bärenklaue ist hoffentlich was ganz Besonderes, sonst bin ich echt sauer!
Mitch hielt kurz an und deutete auf etwas zwischen den Baumkronen. „Man kann sie schon sehen.“
Sabrina war dankbar für die Gelegenheit, Atem zu holen. Sie schaute nach oben und sah einen eigenartig geformten Felsen. Vielleicht hatten Wind und Wetter Teile des Felsens abgetragen, seit man ihm seinen Namen gegeben hatte, aber er sah nicht wirklich nach einer Bärenklaue aus. Eher wie ein unförmiger Fuß. Sie musste lachen.
„Was ist los?“, fragte Mitch.
„Na ja, wahrscheinlich hat Ferienlager Bigfoot sich nicht so gut angehört?“
Er lächelte. „Sobald du den Felsen von vorne siehst, wirst du’s verstehen. Komm, wir stoßen jetzt auf den Hauptweg und dann wird es einfacher. Obwohl du wahrscheinlich Trampelpfade lieber magst.“
„Wie verrückt mag ich die“, schwindelte sie und grinste versteckt.
Kurz danach kreuzte ihr steiler Weg glücklicherweise einen ebenen Pfad, der wohl über die Jahre von Tausenden von Kindern plattgetreten worden war. Mitch und Sabrina konnten nun wieder nebeneinander laufen und es war ihr nicht mehr unangenehm, dass er ihre Hand nahm. Hier oben, eine halbe Meile vom Lager entfernt, schien es ihr, als wären sie wirklich alleine im Wald. Alleine auf der Welt.
Es gab nur zwitschernde Vögel, sich wiegende Bäume und den unendlichen Himmel, der sich langsam in ein dunkles Blau verfärbte. Sie gingen an einem Baumstumpf vorbei, auf dem es von Marienkäfern nur so wimmelte. Sabrina lächelte. Früher hätte sie angehalten und die Käfer auf ihre Arme gesetzt, aber sie war kein Kind mehr. Sie hatte einen Job, Verantwortung... und zwei Jungs im Kopf.
Einer war in Frankreich, der andere war hier neben ihr, so nah, dass sie sogar die feinen Härchen auf seinem Arm spüren konnte. Mitch roch nach Moschus, Pinien und frischer Luft; sie konnte sich nicht daran erinnern, wie Harvey roch. Harvey war süßer und lustiger, aber Mitch war eine 1A-Sahneschnitte. Und er war hier, allein mit ihr, Teil dieser eigenartigen Erfahrung, die sich Ferienlager nannte.
Der Felsen ragte vor ihnen auf. Er musste mindestens 13 Meter hoch sein. Von Nahem ähnelte er tatsächlich einer Bärenklaue, einer zerschmolzenen Bärenklaue. Aber es war nicht wichtig, wie er aussah. Es war wichtig, dass er abgelegen war, so weit weg von allem anderen.
Am Fuße des Felsens war eine Lichtung, wie ein natürliches Amphitheater geformt. In der Mitte, abgegrenzt von weißen Steinen, war der Lagerfeuerplatz. Drum herum standen einfache Bänke aus Baumstämmen und Steinen. Sabrina konnte und wollte sich nicht vorstellen wie es war, wenn hier hunderte Ferienkinder und Betreuer versammelt waren. Sie war froh, dass sie mit Mitch alleine war.
Stillschweigend legte er seine Hände auf ihre Schultern. Für einen Moment war sie sich sicher, dass er sie jetzt küssen würde. Stattdessen drehte er sie von sich und lenkte ihren Blick in Richtung Lageraber. Sabrina blieb bei dieser fantastischen Aussicht die Luft weg. Das Lager war von Bäumen verdeckt, aber sie blickte in ein Tal, das von Schatten spendenden Bergen begrenzt wurde. Ein dunkelblauer Fluss schlängelte sich durch die Wälder und Wiesen. Und die untergehende Sonne verlieh allem ihr goldenes Glühen.
„Als wäre man auf dem Gipfel der Erde“, flüsterte Sabrina. Ihre Stimme wurde von der enormen Stille um den Felsen herum förmlich geschluckt. Da das Lager nicht zu sehen war, erschien es ihr, als wären Mitch und sie die einzigen Menschen auf der Welt.
Er verstärkte den Griff seiner sehnigen Hände. „Ich stelle mir das auch vor, wenn ich hier stehe.“
„Wahrscheinlich bringst du alle neuen Betreuerinnen hierher“, sagte Sabrina. Sie wollte die Stimmung nicht zerstören, aber immerhin hätte Mitch auch der Lager-Playboy sein können. Was wusste sie schon? Er schien zwar eigentlich zu nett für so was, aber man konnte sich ja täuschen.
Sie drehte sich um. Er schaute wie ein gekränkter kleiner Junge und hatte seine Hände von ihren Schultern genommen. „Das ist mein Lieblingsort und ich dachte, du würdest ihn auch mögen. Wir können auch gleich wieder gehen.“
„Nein, nein“ Sabrina reagierte schnell. Sie ergriff seine Hände und hielt sie fest. „Mitch, ich bin sehr froh, dass du mich hierher gebracht hast. Das Ferienlager war bis jetzt ziemlich anstrengend, sogar für jemanden wie mich. Es ist schön, da mal rauszukommen und zu entspannen... vor allem mit jemandem, den
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