Jhereg
schnell. Außer dir weiß ich von keinem, der so etwas geschafft hätte, und du bist aus dem Ostreich.
Ich meine, sieh mal hier«, fuhr er fort, »am Anfang kassiert er Schutzgeld von einem kleinen Bordell, ja? Ein kleiner Fisch. Ein Jahr später gehört ihm der Laden, noch ein Jahr später hat er zehn weitere. Innerhalb von acht Jahren besitzt er ein Gebiet, das größer ist als deines jetzt. Ein Jahr darauf löscht er Terion aus und übernimmt seinen Platz im Rat. Und wieder ein Jahr später schnappt er sich das Vermögen des Rates und verschwindet. Das sieht fast so aus, als hätte er die ganze Sache von Anfang an geplant.«
»Hmmm. Ich kann dir folgen, aber sind zehn Jahre nicht eine lange Zeit für einen einzigen Job?«
»Du denkst schon wieder wie ein Ostländer, Vlad. Das ist überhaupt keine lange Zeit, wenn man eine Lebenserwartung von zwei- oder dreitausend Jahren hat.«
Ich nickte und dachte darüber nach.
»Ich krieg das nicht in den Kopf, Kragar«, sagte ich schließlich. »Wieviel Gold hat er noch mal erbeutet?«
»Neun Millionen«, sagte er fast ehrfürchtig.
»Genau. Also, das ist viel. Das ist sogar verdammt viel. Sollte ich jemals ein Zehntel dieser Summe zu einer Zeit an einem Ort beisammen haben, dann setze ich mich zur Ruhe. Aber würdest du dafür einen Platz im Rat wegwerfen?«
Kragar wollte antworten, überlegte es sich aber anders.
Ich sprach weiter. »Und außerdem ist das nicht der einzige Weg, an neun Millionen in Gold zu kommen. Nicht der beste, der schnellste oder der leichteste. Wenn er freiberuflich gearbeitet hätte, wäre er im Verlauf der zehn Jahre besser gefahren. Er hätte sich die Kriegskasse der Dragon schnappen können, das Gold verdoppeln, ohne daß er ein größeres Risiko eingegangen wäre als mit dieser Geschichte.«
Kragar nickte. »Wohl wahr. Willst du damit sagen, er war gar nicht auf das Gold scharf?«
»Absolut nicht. Ich stelle mir nur vor, er hat plötzlich das Bedürfnis nach ein paar Millionen entwickelt, und nur so konnte er es auf die Schnelle besorgen.«
»Ich weiß nicht, Vlad. Bei der ganzen Geschichte sieht man sofort, daß er sie von Anfang an geplant hat.«
»Aber Kragar, warum? Niemand arbeitet sich nur wegen des Geldes bis zu einem Platz im Rat nach oben. Um so etwas zu tun, muß man auf Macht aus sein –«
»Du mußt es ja wissen«, feixte Kragar.
»– und so eine Macht wirft man nicht so einfach weg, außer es muß sein.«
»Vielleicht hat es ihn gelangweilt«, vermutete er. »Vielleicht ging es ihm bloß um den Nervenkitzel auf dem Weg nach oben, und als er dann oben war, hat er sich was Neues gesucht.«
»Wenn das stimmt«, bemerkte ich, »dann kann er sich auf einigen Nervenkitzel gefaßt machen, mehr als ihm lieb ist. Aber widerspricht das nicht deiner Er-hat-alles-von-Anfang-an-geplant-Theorie?«
»Wahrscheinlich schon. Mir kommt langsam das Gefühl, daß wir nicht genug Informationen haben. Wir schießen nur ins Blaue.«
»Allerdings. Was würdest du denn davon halten, mal Informationen heranzuschaffen, hä?«
»Ich? Paß auf, Vlad, meine Schuhe sind diese Woche zum Besohlen beim Schuster. Warum heuern wir nicht eine Hilfskraft an, die kann dann für uns die Laufarbeit erledigen.«
Ich sagte ihm, wen er als Hilfskraft haben und wohin er sie sich stecken könnte.
Er seufzte. »Schon gut, ich gehe ja. Woran wirst du arbeiten?«
Ich überlegte ein bißchen. »So dies und das«, sagte ich. »Zuerst einmal werde ich mir einen guten Grund einfallen lassen, warum jemand sich plötzlich entschließt, den Rat auf eine Weise zu verlassen, daß der komplette Jhereg ihm an den Fersen klebt. Außerdem werde ich mal bei Morrolans Spionagering nachfragen und auch bei unseren Leuten. Ich will so viele Informationen wie möglich ausgraben, und es kann nicht schaden, wenn wir beide daran arbeiten. Danach – werde ich, glaub ich, die Lady Aliera besuchen gehen.«
Während ich sprach, war Kragar zur Tür gegangen, aber da hielt er an und drehte sich um. »Wen?« fragte er ungläubig.
»Aliera e’Kieron, vom Hause der Dragon, Morrolans Cousi –«
»Ich weiß, wer sie ist, ich dachte bloß, ich hätte dich nicht richtig verstanden. Warum gehst du nicht auch zur Imperatorin, wo du schon mal dabei bist?«
»Ich habe ein paar Fragen über den Kerl, den ich ausfindig machen will, und in solchen Dingen ist sie zufällig sehr gut. Warum also nicht? Wir sind schon eine ganze Weile befreundet.«
»Boß, sie ist eine Dragon. Die halten nichts
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