Jhereg
hatte begonnen. Da ich nicht viel weiter kommen würde, bis ich eine Ahnung hatte, wo Mellar sich aufhielt, widmete ich meine Aufmerksamkeit statt dessen der Frage, wer er war. Das beschäftigte mich so lange, bis einige Stunden später mein nächster Besucher vor der Tür stand.
»INSPIRATION ERFORDERT
VORBEREITUNG«
Mein Empfangschef hat in den zwei Jahren, die er jetzt für mich arbeitet, drei Leute vor meiner Bürotür umgebracht.
Einer davon war ein Auftragsmörder, dessen Tarnung nicht sonderlich gut war. Die anderen beiden waren gänzlich unschuldige Trottel, die besser nicht versucht hätten, sich an ihm vorbeizudrängeln.
Er selbst ist einmal umgebracht worden, als er einen anderen Mörder lange genug aufhalten konnte, daß es mir gelang, auf heldenhafte Art und Weise aus dem Fenster zu flüchten. Zu meiner großen Erleichterung schafften wir es, ihn wiederzubeleben. Er ist gleichzeitig Leibwächter, Schreibkraft, Türsteher und was Kragar oder ich sonst noch benötigen. Möglicherweise handelt es sich bei ihm um den bestbezahlten Empfangschef auf Dragaera.
»Äh, Boß?«
»Ja?«
»Äh, Kiera ist hier.«
»Oh, gut! Schick sie rein.«
»Ich meine Kiera die Diebin, Boß. Sind Sie sicher?«
»Ziemlich sicher, danke.«
»Aber – na gut. Soll ich sie hineinbegleiten und sie im Auge be –«
»Das wird nicht nötig sein (und es würde auch nicht ausreichen, dachte ich bei mir), schick sie einfach nur rein.«
»In Ordnung. Wie Sie wollen.«
Als die Tür sich öffnete, legte ich die Papiere aus der Hand und erhob mich. Eine kleine Dragaeranerin trat ein. Mit einiger Belustigung erinnerte ich mich daran, daß ich sie bei unserem ersten Zusammentreffen noch für groß gehalten hatte, aber damals war ich ja auch erst elf Jahre alt. Außerdem war sie natürlich immer noch mehr als einen Kopf größer als ich, nur hatte ich mich mittlerweile an den Unterschied gewöhnt.
Sie bewegte sich beinahe wie Mario. Leicht und anmutig schwebte sie auf mich zu und begrüßte mich mit einem Kuß, der Cawti eifersüchtig gemacht hätte, wenn Cawti zu solchen Launen neigen würde. Ich erwiderte den Kuß und besorgte ihr dann einen Stuhl.
Kieras Gesichtszüge waren glatt und etwas kantig, ohne erkennbare Charakteristika eines bestimmten Hauses – was wiederum typisch war für eine Jhereg.
Ich bat sie, Platz zu nehmen, und sie sah sich kurz in meinem Büro um. Dabei zischten ihre Blicke von einer Ecke in die nächste, und sie merkte sich die wertvollen Gegenstände. Das überraschte mich nicht; sie hatte es mir selbst beigebracht. Allerdings vermutete ich, daß sie sich nach anderen Dingen umsah, als ich es tun würde.
Sie bedachte mich mit einem Lächeln.
»Danke, daß du gekommen bist, Kiera«, empfing ich sie mit soviel Wärme, wie ich aufbringen konnte.
»Gerne«, antwortete sie sanft. »Schickes Büro.«
»Danke. Wie laufen die Geschäfte?«
»So lala, Vlad. Ich hatte eine Weile schon keine Aufträge mehr, aber ich komm ganz gut allein zurecht. Und selbst?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Was denn, Schwierigkeiten?« fragte sie ernsthaft besorgt.
»Ich bin schon wieder gierig gewesen.«
»Oh weia. Dann weiß ich Bescheid. Jemand hat dir etwas angeboten, an dem du nicht vorbei konntest, hm? Und du konntest nicht widerstehen, und jetzt steckst du über beide Ohren drin, stimmt’s?«
»So in der Art.«
Langsam schüttelte sie den Kopf. Da kam Loiosh dazwischen, flatterte zu ihr rüber und landete auf ihrer Schulter. Kiera frischte ihre Bekanntschaft mit einem herzhaften Kraulen unter dem Kinn wieder auf. »Das letzte Mal«, sagte sie nach einer Weile, »mußtest du gegen einen Athyra-Magier kämpfen, und zwar in dessen Schloß, wenn ich mich recht erinnere. So etwas ist nicht gesund, Vlad.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber denk dran: ich hab gewonnen.«
»Aber nicht alleine.«
»Naja … stimmt. Hilfe kann man doch immer gebrauchen.«
»Immer«, stimmte sie zu. »Was uns, glaube ich, zum Thema bringt. Es muß um was sehr Großes gehen, sonst hättest du mich nicht hier treffen wollen.«
»Gut beobachtet, wie immer«, sagte ich. »Nicht nur was Großes, sondern was Übles. Ich kann nicht riskieren, daß irgend jemand Wind davon bekommt. Hoffentlich hat dich niemand hereinkommen sehen. Das Risiko darf ich nämlich nicht eingehen. Gewisse Kreise sollten auf keinen Fall erfahren, daß ich dich in die Sache einweihe.«
»Mich hat niemand reinkommen sehen«, sagte sie.
Ich nickte. Ich kannte
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