Jhereg
auch vermuten, daß ich es ihn wissen lasse, damit er abhaut, und dann wird er sich nur noch mehr einnisten.«
»Was«, hob Kragar hervor, »genau das ist, was wir nicht wollen.«
Egal. »Wenn wir ihn zum Gehen bringen wollen, werden wir uns etwas Schräges und Verzwicktes einfallen lassen müssen, damit er gezwungen ist zu verschwinden, egal, wie sehr er sich wünscht zu bleiben. So oder so hat es keine Bedeutung.«
Kragar dachte eine Zeitlang darüber nach und stimmte dann zu. »In Ordnung, das hört sich ausführbar an. Soll ich mitkommen?«
»Danke, nein. Halt hier die Stellung und schnüffel weiter in Mellars Vergangenheit. Loiosh wird auf mich aufpassen. Das hat er versprochen.«
»WENN DIE TADELLOSEN UND DIE RECHTSCHAFFENEN STERBEN, RUFEN SOGAR DIE GÖTTER NACH RACHE«
Man sagt, der Bankettsaal im Schwarzen Schloß ist seit seiner Erbauung vor dreihundert Jahren noch nie leer gewesen. Außerdem sagt man, daß dort mehr Duelle ausgefochten wurden als auf dem Platz des Kieron vor dem Imperialen Palast.
Nach dem Teleport landet man ziemlich genau in der Mitte des Schloßhofes. Wenn man näher kommt, öffnen sich die großen Doppeltüren, und als erstes erblickt man im Inneren des Schlosses eine spärlich beleuchtete Eingangshalle, in welcher Lady Teldra residiert wie der Wächter, jene Gestalt, die regungslos über den Fällen der Toten steht und die Pfade der Toten überblickt, dort, wo das Reale zum Schein wird – auch wenn der Unterschied nur klein ist.
Lady Teldra verbeugt sich, und zwar in genau dem Grad, der zum Haus und Rang des Gastes paßt. Danach wird man von ihr mit Namen begrüßt, auch wenn sie einen vielleicht gar nicht kennt. Ihre Worte heißen willkommen, egal, ob man aus Freundschaft oder Feindschaft kommt. Wenn man es wünscht, geleitet sie einen dann in den Bankettsaal. Man steigt eine lange schwarze Marmortreppe empor. Für einen Menschen sind die Stufen schön bequem, für einen Dragaeraner etwas niedrig (und folglich elegant). Lange, sich windende, ausschweifende Dinger sind das, diese Treppen. An den Wänden hängen, von Laternen beleuchtet, Bilder aus der langen, gewalttätigen, manchmal seltsam bewegenden Geschichte des Dragaeranischen Imperiums.
Dieses hier hat die Totenbeschwörerin gemalt (ja, sie ist auch eine Künstlerin), und es zeigt einen verwundeten Dragon, der seinen Reptilienkopf und den langen Hals um sein Junges wickelt, während seine Blicke einem bis auf den Grund der Seele dringen. Dies hier, von einem unbekannten Lyorn, zeigt Kieron den Eroberer, wie er mit den Schamanen diskutiert – mit seinem breiten Schwert. Nett, nicht?
Oben angekommen kann man rechts die Pforten zum eigentlichen Speisesaal sehen. Wendet man sich jedoch nach links, erreicht man schon bald ein paar gewaltige, geöffnete Doppeltüren. Der Raum dahinter erschließt sich nur stückweise. Zuerst nimmt man das Gemälde wahr, welches die gesamte Decke ausfüllt; es stellt die dritte Eroberung des Dzurberges dar, und gemalt hat es kein Geringerer als Katana e’M’archala. Erst wenn man sich die Details von Wand zu Wand genauer ansieht, bekommt man eine Vorstellung von den wirklichen Ausmaßen des Raumes. Die Wände bestehen aus schwarzem Marmor, hier und da durchsetzt mit dünnen Silberadern. Obwohl es hier immer finster ist, hat man doch nie Schwierigkeiten zu sehen.
Erst dann bemerkt man die Leute. Der Raum ist immer voll. Die Tische in den Ecken, an denen Speis und Trank serviert werden, sind Sammelpunkte für eine endlose Wanderung von Menschen, wenn ich dieses Wort benutzen darf. Auf der anderen Seite befinden sich zwei weitere Doppeltüren, die hinausführen auf eine Terrasse. An den Seiten sind mehrere kleinere Türen, die in Privatgemächer führen, wo man ahnungslosen Trotteln seine Lebensgeschichte aufdrängen kann, wenn man will, oder einen General der Dragon fragen, ob dieser letzte Gegenangriff wirklich von Anfang an geplant war.
Aliera nutzt diese Räume häufig, Morrolan selten. Ich niemals.
»Weißt du, Boß – das hier ist ein verfluchter Vogelkäfig.«
»Wie wahr, mein geflügelter Jheregfreund.«
»Oh, du bist so witzig heute, echt.«
Ich rempelte mich durch die Menge, wobei ich Bekannten zunickte und Feinde angiftete. Sethra Lavode kam vorbei, und wir sprachen ein bißchen über gar nichts. Irgendwie wußte ich nicht mehr, wie ich mit ihr umgehen sollte, deshalb brach ich die Unterhaltung ab. Sie küßte mich trotz der kühlen Stimmung warm auf
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