Jillian Hunter
beim besten Willen nicht zu erneuten Drohungen veranlas- sen, aber ... „Sie wollen doch nicht etwa hier bleiben?"
„Ich werde nur so lange bleiben, wie es absolut notwendig ist. Höchstens ein bis zwei Tage."
„Und Sie werden nicht ..."
Er zögerte, als hätte er halb belustigt und halb entsetzt ihre genauen Befürchtungen erkannt. „Sie missbrauchen? Ihre zer- brechlichen, zappelnden Glieder an die Bettpfosten binden und Sie mir heimlich zu Willen machen, während der Rest des Haushaltes seelenruhig vor sich hin schnarcht?" Er hielt inne, anscheinend dachte er über die köstliche Absurdität ei- ner solchen Situation nach. „Hmmm. Es war nicht Teil meines ursprünglichen Planes, aber man lernt, sich anzupassen. Glau- ben Sie, wir sollten es versuchen?"
Für einen Augenblick verschlug es Chloe die Sprache. „Das würden Sie nicht wagen", stotterte sie schließlich.
„Nein, es sei denn, Sie haben eine Vorliebe für tote Aristo- kraten." Er schüttelte reumütig den Kopf. „Es amüsiert mich immer wieder aufs Neue, wie wollüstig ich nach meinem Tode geworden bin."
„Sie waren ja zu Lebzeiten auch nicht eben ein Heiliger, oder?"
Er hob die breiten Schultern. „Weder ein Heiliger noch ein Sünder. Ich schätze, ich war - bin - einfach menschlich."
„Warum gehen Sie nicht?", fragte sie ruhig.
„Weil ich mir nicht sicher bin, dass mein Verfolger die Fähr- te verloren hat." Das war die Wahrheit. Dominics listiger Wild- hüter Finley hatte ihn praktisch bis an das quietschende Tor von Dewhurst Manor gejagt. Die Ironie daran war, dass sein getreuer Diener geglaubt hatte, er verfolge den Mörder seines Herrn, und Dominic war noch nicht in der Lage, ihn aufzuklä- ren oder seine Hilfe in Anspruch zu nehmen.
„Ihre persönlichen Probleme sind wohl kaum meine Angele- genheit."
„Ich fürchte doch", erklärte er mit einem düsteren Lächeln. „Außerdem werde ich Ihnen während meines Aufenthaltes hier kaum Umstände machen. Ich werde mein Hauptquartier vorübergehend in Ihrem Ankleidezimmer aufschlagen. Sie werden kaum bemerken, dass ich hier bin."
„Das bezweifle ich von ganzem Herzen. Meinen Sie das ernst? Erwarten Sie von mir, dass ich mit Ihnen im selben Raum schlafe? Hauptquartier - das lasse ich mir nicht bieten. Ich werde meinen Onkel holen. Schießen Sie mir in den Rü- cken, wenn Sie möchten."
Er stand von dem Schemel auf und trat mit einer geschmei- digen Bewegung vor sie hin, sodass sie keinen weiteren Schritt gehen konnte. „Dann werde ich wohl die Behörden verständi- gen müssen."
Etwas zuversichtlicher blickte sie ihn jetzt an. „Um ihnen zu erklären, dass Sie in mein Zimmer eingedrungen sind, mei- ne Unterwäsche durchwühlt und mich angegriffen haben?"
Nachdenklich betrachtete er ihre feinen Wangenknochen und ausgeprägten Züge, die im schwachen Licht des Raumes besonders aufreizend schienen. Er fragte sich, ob es diese aus- drucksvollen Augen waren, die ihr so viele Schwierigkeiten eingebracht hatten. Sie funkelten mit einer leidenschaftli- chen Eindringlichkeit, der wohl nur wenige Männer widerste- hen konnten. Ihre herausfordernde Unschuld war gefährlich. Warum sie? Warum konnte er nicht in das Zimmer eines der langweiligen Fräuleins aus Chistlebury eingebrochen sein, die wie verängstigte kleine Mäuschen davonhuschten, wenn er sie nur ansah?
Er entschied sich, zu bluffen. „Ich glaube, die Behörden wä- ren weniger an den unglaublichen Anschuldigen einer jungen
Frau interessiert, die behauptet, von einem Geist besucht wor- den zu sein, als an Informationen über unseren hiesigen Stra- ßenräuber."
Chloes Schläfen begannen zu pochen. Er konnte beim bes- ten Willen nicht wissen, was ihr törichter Bruder angerichtet hatte. Seine Nachforschungen konnten nicht so detailliert gewesen sein. „Welcher Straßenräuber?", fragte sie mit aus- drucksloser Stimme. „Ich bin mir sicher, dass ich dieses Mal keine Ahnung habe, wovon Sie reden."
„Sehr gut." Er lehnte sich mit der Hüfte gegen den Toilet- tentisch. „Ich bin beinahe geneigt, Ihnen zu glauben. Aber ja, ich weiß alles, von dem missglückten Überfall in Chelsea bis hin zu seinem letzten Verbrechen in Chistlebury."
„Sie haben meine Unterhaltung belauscht."
„Natürlich habe ich das. Das ist zufälligerweise eine äu- ßerst nützliche Angewohnheit. Ich nehme an, Sie sind fest ent- schlossen, Ihren nichtsnutzigen Bruder zu schützen?"
„Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden."
„Ihre Loyalität
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