Jillian Hunter
sein. „Seien Sie einen Augenblick lang ruhig."
„Was?", entgegnete er erstaunt.
„Ich kann kein Wort von dem verstehen, was Lord St. John sagt, wenn Sie die ganze Zeit reden. Ich glaube, er muss mich gefragt haben, ob ich ihn heirate."
Dominic erstarrte im Gehen. Ihre Selbstherrlichkeit er- staunte ihn. Offensichtlich nahm sie seine Drohung nicht sehr
ernst, was, wie er vermutete, möglicherweise mit jenem Kuss im Regen zusammenhing. Er betrachtete ihre bezaubernde Figur und spürte, wie ihre kokette Stimme ihn unliebsam er- regte.
Chloe lehnte sich noch weiter hinaus und lachte. „Eine Be- lohnung? Hmmm. Was stellen Sie sich denn vor? Und nein, natürlich habe ich Sie nicht vergessen. Was tun Sie hier?", flüsterte sie.
„Ist das nicht offensichtlich?", murmelte Dominic angee- kelt. „Das soll eine plumpe Verführung werden. Lasst uns al- le Kies an das Fenster einer Jungfrau werfen, um ihr Herz zu gewinnen. Was? Es ist kein Kies da? Dann probieren Sie es mit Enteneiern. Oder mit Billardkugeln."
Chloe blickte ihn aus den Augenwinkeln an. „Würden Sie bitte ruhig sein?"
„Ich?", fragte Dominic und hob eine Hand an die Brust. „Warum verlangen Sie von Romeo nicht dasselbe? Er ist der- jenige, der hier Krach macht."
„Was sagen Sie da, Chloe?", rief Justin verwirrt hinauf. „Ich kann Sie überhaupt nicht verstehen. Warum kommen Sie nicht in den Garten hinunter, damit wir uns vernünftig unterhalten können? Ich habe Ihnen zu Ehren ein Gedicht ge- schrieben."
„Ein Gedicht", wiederholte Dominic und warf die Hände in die Luft. Ihm war schwindelig. Seine Schulter blutete. Und er musste daneben stehen und zuhören, wie der hiesige Schwach- kopf Gedichte ausspuckte?
„Ich mag Gedichte", erwiderte Chloe leise.
„Ich nicht", verkündete Dominic schnippisch.
„Dann gehen Sie", flüsterte sie und stützte die Ellbogen auf das Fensterbrett. „Vielleicht wäre es besser, wenn Sie morgen wiederkommen, Lord St. John."
„Morgen?", wiederholte Justin enttäuscht. „Sagen Sie mir nicht, dass ich so lange warten muss, bis ich Sie Wiederse- hen darf! Ich glaube nicht, dass ich das ertragen kann, Lady Chloe."
„Nun, damit sind wir schon zwei", erklärte Dominic trüb- sinnig.
Chloe trommelte mit den Fingernägeln auf das Fensterbrett.
„Drei." Dann sagte sie laut, „Oh, Lord St. John, bringen Sie mir Ihr Gedicht nach dem Frühstück. Dann werde ich bessere Laune haben."
Dominic runzelte in der dunklen Nische hinter ihr die Stirn, die Arme missbilligend über der Brust verschränkt. War dies nicht eine herrliche Situation? Er konnte die Wehmut in Chloes Stimme kaum überhören. Und selbst ein „Toter" wie er konn- te kaum übersehen, wie einladend sie ihren Körper zur Schau stellte, während sie halb aus dem Fenster hing, um flüsternd mit ihrem Bewunderer zu kokettieren.
Was ihn wieder zu der Frage nach dem Korsett auf dem Bett brachte. Er war nicht im Geringsten überrascht, dass ihre Brü- der sie ins gesellschaftliche Exil verbannt hatten. Auch wenn wohl nicht einmal der Turm einer Burg in den italienischen Al- pen abgelegen genug war, um zu verhindern, dass diese junge Dame in Schwierigkeiten geriet. Ihr Übermut und ihr familien- typisches Temperament waren stärker ausgeprägt, als gut für sie war.
Allein die Tatsache, dass sie bereits das Interesse von Justin, Lord St. John, erregt hatte, der nun, da Dominic selbst tot war, Chistleburys bester Fang war, sprach für sich. Über- haupt, war St. John nicht eigentlich mit der Seymour-Erbin verlobt, einem ziemlich geistlosen Dummchen, das Schwie- rigkeiten hatte, einen zusammenhängenden Satz zu formulie- ren? Was, zum Teufel, hatte der Junge vor, indem er die schöne, verbannte Chloe hinunter in den dunklen Garten lockte?
„Ich bin den ganzen Weg bis hierher gekommen, um Sie zu sehen, Lady Chloe", drang St. Johns Stimme von unten he- rauf. „Können Sie sich nicht wenigstens für ein paar Minuten hinausschleichen und mit mir reden?"
„Wagen Sie es nicht, auf ein derartig unanständiges Ange- bot einzugehen!", ermahnte Dominic sie über die Schulter.
„Warum sollte ich das nicht tun?" Sie klang empört über seine Einmischung. „Ich gehe ja auch auf Ihres ein."
Der junge Mann im Garten unter ihnen trat erschrocken ein paar Schritte nach hinten. „Ist da noch jemand bei Ihnen im Zimmer, Lady Chloe?"
„Sagen Sie ihm, dass einer da ist", befahl Dominic ihr. „Sa- gen Sie ihm, Ihr Liebhaber ist ein äußerst eifersüchtiger
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