Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
ausrichten und ihm sagen, dass ich gern mal sehen täte, wie er sich fürchtet. Bis jetzt hat sich nämlich noch nie jemand richtig vor mir gefürchtet und das ist ziemlich schlimm für einen kleinen Drachen.«
»Einen Halbdrachen«, verbesserte Jim.
»Ja, ja«, gab Nepomuk ungeduldig zurück, »aber das müsst ihr dem Riesen ja nicht gleich auf die Nase binden.«
»Gut«, meinte Lukas, »aber wenn wir Herrn Tur Tur nicht sagen, dass du in Wirklichkeit kein gefährlicher und bösartiger Drache, sondern ein netter und hilfsbereiter Halbdrache bist, dann wird er vor dir weglaufen und du kannst seine Bekanntschaft nicht machen.«
Nepomuk kratzte sich nachdenklich auf dem Kopf.
»Schade«, murmelte er enttäuscht, »ich hätte mich so gern einmal mit jemandem angefreundet, der immerfort aus lauter Angst vor mir zittert. Das wäre eine richtig schöne Freundschaft gewesen.
Aber wenn ihr meint, es geht nicht ... dann sagt es ihm eben. Wahrscheinlich wird er sich dann nicht mehr viel aus mir machen.«
»Im Gegenteil«, versicherte Lukas, »das wird ihm viel lieber sein. Du musst nämlich wissen, dass er selbst auch kein richtiger Riese ist, sondern ein Scheinriese.«
»Ach, wirklich?«, quiekte Nepomuk hoffnungsvoll. »Und was ist das, ein Scheinriese?«
Und während die beiden Freunde den Halbdrachen über die sonderbare Eigenschaft von Herrn Tur Tur aufklärten, machten sie sich gemeinsam auf den Weg zu ihrer Lokomotive. Als sie diese erreicht hatten, rief Lukas: »Kommen Sie unbesorgt aus dem Tender heraus, Herr Tur Tur. Es besteht kein Grund mehr zur Angst.«
»Wahrhaftig?«, war die dünne Stimme des Scheinriesen zu vernehmen. »Habt ihr das schreckliche, gefährliche Ungeheuer so schnell besiegt?«
»Hört ihr?«, flüsterte Nepomuk geschmeichelt. »Er meint mich!«
»Wir haben es nicht besiegt«, rief Lukas zurück, »weil es gar nicht nötig war. Das Ungeheuer ist nämlich ein guter Freund von uns. Er heißt Nepomuk und ist ein Halbdrache und hat uns schon einmal sehr große Dienste erwiesen.«
»Ja«, fügte Jim hinzu, »und er is' sehr nett.«
Nepomuk schlug die Augen nieder und trat beschämt von einem Fuß auf den anderen. Aber nicht etwa aus Bescheidenheit, sondern weil es für einen Drachen eine rechte Schande ist, keine richtig schlimmen Eigenschaften zu haben.
»Aber wenn er so nett ist«, hörte man nun wieder die Stimme des Scheinriesen aus dem Tender, »warum hat er dann mein Häuschen besetzt und mich daraus vertrieben?«
»Er hatte bloß Angst vor Ihnen, Herr Tur Tur«, gab Lukas zurück. »Er wollte sich nur vor Ihnen verstecken.«
Nun erschien das Gesicht des Scheinriesen über dem Rand des Tenders. »Ist das wahr?«, fragte er und blickte ganz bekümmert drein. »Er hat sich also vor mir gefürchtet? Oh, das tut mir aber leid, das tut mir ganz schrecklich leid! Wo ist er, der arme Nepomuk, damit ich mich sogleich bei ihm entschuldige.«
»Das hier bin ich«, quiekte Nepomuk.
Herr Tur Tur kletterte umständlich aus dem Tender heraus und schüttelte dem Halbdrachen herzlich die Tatze.
»Verzeihen Sie, lieber Freund«, rief er, »dass ich Sie erschreckt habe! Ich bin untröstlich!«
»Macht nichts«, antwortete Nepomuk und lächelte mit seinem Riesenmaul, »und vielen Dank, Herr Scheinriese, dass Sie sich vor mir gefürchtet haben. Hat mich sehr gefreut!«
»Und nun«, sagte Lukas, »müssen wir Ihnen erzählen, weshalb wir zu Ihnen gekommen sind, Herr Tur Tur. Aber ehe wir damit anfangen -«
»Ehe wir damit anfangen«, fiel ihm der Scheinriese ins Wort, »wollen wir gemeinsam frühstücken. Darf ich meine lieben und verehrten Gäste bitten mir ins Haus zu folgen!«
»Gern!«, sagten Lukas und Jim wie aus einem Mund. Sie nahmen Nepomuk in die Mitte und schritten Arm in Arm hinter dem Scheinriesen her. Die gute alte Emma musste leider bleiben, wo sie war. Deshalb fasste sie sich in Geduld und benützte die Zeit zu einem kleinen Nickerchen.
FÜNFZEHNTES KAPITEL
in dem Lukas und Jim ein en Großengurumuschmagnetfelsen klippenwärter finden
Als sie alle vier schließlich um den runden Tisch in Herrn Tur Turs Haus saßen und eben mit dem leckeren Frühstück, das der Scheinriese in aller Eile bereitet hatte, beginnen wollten, fragte Nepomuk plötzlich: »Und was krieg ich?«
Auf dem Tisch dampfte eine große Kanne Feigenkaffee, dazu gab es Kokosnussmilch und Traubenzucker. Daneben stand ein großer Teller voll Affenbrot und Johannesbrot, bestrichen mit
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