Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
wieder festen Boden unter den Füßen spürte und zu Atem gekommen war, sagte er: »Aber wo wir doch jetzt Freunde sind, is' mir gar nicht recht, dass ich euch nicht unterscheiden kann. Ich find, wir sollten was erfinden, woran man jeden erkennt.«
»Das wäre schön«, antwortete einer der Kerle. »Wir haben selber auch schon oft hin und her überlegt, nicht wahr, Brüder?«
»Ja«, sagte ein anderer, »das haben wir. Aber uns ist nichts eingefallen.«
»Ich weiß was!«, rief Jim. »Ihr habt doch gesagt, dass jeder von euch nur einen Buchstaben schreiben kann. Aber jeder einen anderen.«
»Das ist richtig, Hauptmann«, versetzte einer der Brüder erstaunt. »Dann is' es doch ganz einfach«, sagte Jim, »jeder von euch kriegt einen Namen, der mit seinem Buchstaben anfängt.«
»Da soll mich doch der Donner!«, murmelte einer. »Was wir in unserem ganzen Leben nicht fertiggebracht haben, das schüttelt der Prinz aus dem Ärmel. Ja, man muss eben was im Kopf haben!«
Und dann mussten die Brüder einzeln vortreten und ihren Buchstaben malen. Lukas las ihn vor und dann überlegten sich die beiden Freunde einen passenden Namen für jeden. Nur bei einem gab es eine kleine Schwierigkeit, nämlich bei dem, der immer geglaubt hatte, sein Buchstabe wäre ein K. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass es in Wirklichkeit ein X war, aber dann fand er das auch sehr schön. Und zum Schluss las Lukas vor, wie sie nun hießen:
1. Antonio
2. Emilio
3. Fernando
4. Ignazio
5. Ludowico
6. Maximiliano
7. Nikolo
8. Rudolfo
9. Sebastiano
10. Theodora
11. Ulrico
12. Xaverio
Die riesenhaften Kerle standen da wie die Kinder an Weihnachten und freuten sich unbändig über ihre Namen, durch die sie sich nun unterscheiden konnten.
»Und wohin soll jetzt die Reise gehen?«, erkundigte sich Ulrico.
»Nach Lummerland«, antwortete Jim, »der Drache hat doch gesagt, ich soll heimkehren, da würde ich alles erfahren.«
»Gut«, sagte Maximiliano, »aber womit fahren wir? Der Henker soll den Sturm holen, unsere blutroten Segel sind nur noch Fetzen.«
Also blieb nichts anderes übrig, als all die kostbaren perlenbestickten Seidenstoffe, Teppiche und Spitzentücher, die mit den übrigen Schätzen noch im Laderaum verstaut lagen, heraufzuholen und aufzuziehen. Und als schließlich jedes Damasttaschentuch und jede Brokatserviette gesetzt war, bot das Schiff einen höchst sonderbaren, aber unleugbar auch einen höchst prächtigen Anblick: Mit Hunderten von großen und kleinen farbenprächtigen Segeln, die sich im Winde blähten, fuhr es ins glühende Abendrot hinein, der kleinen Heimat von Jim und Lukas entgegen.
NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL
in dem Prinz Myrrhen sein Land findet
Es war eine weite Reise nach Lummerland. Das Staatsschiff hatte von Mandala aus immer mehrere Tage dazu gebraucht. Und vom ehemaligen »Land, das nicht sein darf« war der Weg noch mehr als doppelt so weit. Aber nach allem, was meine Leser von den fabelhaften Seefahrerkünsten der einstigen Piraten und der Schnelligkeit ihres Schiffes schon erfahren haben, wird es gewiss niemanden mehr in ungläubiges Erstaunen setzen, wenn er erfährt, dass die »zwölf Unbesiegbaren«, wie sie ja von nun an heißen sollten, nur eine einzige Nacht dazu benötigten.
Als Jim und Lukas am nächsten Morgen noch vor Sonnenaufgang frisch und ausgeschlafen das Deck betraten, sahen sie, dass alle zwölf Brüder auf dem Vorderdeck standen und verwundert durch ihre Fernrohre spähten.
Als sie die beiden Freunde kommen hörten, drehte sich einer nach ihnen um, es war Theodoro, und sagte lachend:
»Da hast du uns ja schön verkohlt, Hauptmann Prinz. Ist das da vorne vielleicht eure winzige Insel, auf die wir nicht alle draufpassen?«
Die beiden Freunde schauten die Brüder verdutzt an, denn mit bloßem Auge konnten sie am fernen Horizont noch nichts erkennen. »Warum?«, fragte Jim. »Was is' mit der Insel?«
»Na, schaut sie euch doch mal an!«, rief Antonio. »Hagel, Blitz und Wolkenbruch, wenn das da eine kleine Insel ist, dann bin ich ein Floh!«
Zwei der Brüder, Ignazio und Nikolo, gaben den beiden Freunden ihre Fernrohre. Lukas und Jim spähten hindurch und dann sagten sie eine ganze Weile gar nichts mehr.
Aus den sanften Nebelschleiern, von der Morgendämmerung mit rosenfarbenem Licht übergössen, traten die Umrisse eines Landes, nein, eines ganzen Kontinents hervor. Die Küsten ragten an manchen Stellen steil aus den blauen Wellen auf, an anderen
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