Jim Knopf 02 - Jim Knopf und die Wilde 13
Lukas kletterte zuerst noch einmal durch das Kohlennachschubloch im Tender in das Innere von Emmas Führerhaus, um Jims Rucksack, einige warme Decken, die Schachtel mit den Spielen und noch verschiedenes andere zu verpacken. Auch nahm er diesmal vorsichtshalber ein Ruder mit - für alle Fälle. Natürlich hatte Frau Waas noch ein großes Paket Butterbrote und ein Dutzend hart gekochter Eier und anderen Reiseproviant zurechtgemacht, den Lukas ebenfalls verstaute. Als das geschehen war, schoben die beiden Freunde Emma vorsichtig zum Strand und ins Wasser hinein. Molly planschte hinterdrein. Dann befestigten sie die große Lokomotive mit einem Tau am Ufer.
Nun erschien, gefolgt von Herrn Ärmel, König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte, schüttelte Lukas und Jim die Hand und sprach:
»Meine sehr geehrten Untertanen! Ich bin außerordentlich ergriffen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie ergriffen ich bin. Ich bin so ergriffen, dass ich gar nichts mehr sagen kann. Verzeiht mir darum, wenn ich schweige. Nur ein Wort will ich euch zum Abschied mit auf die Reise geben: Die Vereinigten Staaten von Lummerland und Neu-Lummerland blicken mit Stolz auf euch. Erweist euch dessen würdig!«
Nach dieser Ansprache nahm er seine Brille ab und putzte die Gläser mit seinem seidenen Taschentuch, denn sie waren beschlagen. Frau Waas umarmte Jim und gab ihm einen Abschiedskuss und sagte: »Jim, mein Liebling, sei bitte recht vorsichtig, hörst du? Und gib immer schön Acht auf dich. Versprich mir's!«
Und dann fing sie zu weinen an und nun konnte auch Li Si nicht mehr länger an sich halten, sie fiel Jim um den Hals und schluchzte: »Jim, lieber Jim, komm bald wieder! Bitte, kommt beide bald wieder! Ich hab solche Angst um euch!«
Und schließlich erklärte auch Herr Ärmel:
»Dieser Bitte unserer verehrten Damen möchte ich mich auf das Nachdrücklichste anschließen!«
Worauf auch er sein Taschentuch hervorzog und sich die Nase putzte, um sich nicht merken zu lassen, wie nahe ihm dieser Abschied ging. Lukas stieß dicke Rauchwolken aus seiner Pfeife und knurrte:
»Keine Sorge, Leute, da haben wir schon ganz andere Sachen gesund und munter überstanden. Komm, Jim, alter Junge, es wird Zeit.«
Und er watete durch das seichte Wasser zu Emma hinüber. Jim folgte ihm und schwang sich hinter seinem Freund auf das Dach der großen Lokomotive. Sie warfen das Tau los, das Segel blähte sich im Wind, der Mast ächzte leise und das seltsame Schiff mit seinem kleinen Lokomotiven-Beiboot im Schlepptau setzte sich in Bewegung. Die Zurückbleibenden winkten mit ihren Taschentüchern und riefen immer wieder: »Auf Wiedersehen! Alles Gute! Bleibt gesund! Schöne Reise und glückliche Rückkehr!«
Und auch Jim und Lukas winkten, bis Lummerland mit seinen beiden ungleichen Gipfeln am Horizont verschwunden war.
Die untergehende Sonne spiegelte sich im endlosen Ozean, der nun vor ihnen lag, und sie baute mit ihrem Licht eine goldene, glitzernde Straße vom westlichen Horizont bis zum östlichen und mitten darin zogen die schwimmenden Lokomotiven ihre Bahn. Lukas hatte den Arm um Jims Schulter gelegt und die beiden Freunde schauten auf die funkelnde Straße aus Licht, die sie in weite Fernen führen würde, vielleicht wieder in unbekannte Länder und Erdteile, niemand konnte jetzt schon sagen wohin.
VIERTES KAPITEL
in dem die Reisenden eine seltsame Bekanntschaft machen, die sie zu einem Abstecher ins Barbarische Meer veranlasst
Die Sterne schimmerten schon am Himmel, als die beiden Reisenden noch immer auf dem Dach ihrer schwimmenden Emma saßen und plauderten.
»Ich bin gespannt, was Herr Tur Tur sagt, wenn wir auf einmal wieder da sind«, meinte Jim. »Ob er sich freut?«
»Darauf möchte ich wetten«, antwortete Lukas und schmunzelte, »fragt sich nur, wie wir zu ihm hinkommen.«
»Ach ja, richtig«, sagte Jim und sah ganz erschrocken aus, »wir können ja nicht mehr durch das ›Tal der Dämmerung‹ fahren, weil es das letzte Mal eingestürzt is'. Daran hab ich gar nicht mehr gedacht.«
»Tja«, brummte Lukas und paffte nachdenklich, »das ist der Punkt. Aber von hier aus können wir die Sache nicht entscheiden. Ich denke, wir fahren erst mal so weit wir kommen. Dann müssen wir eben sehen, was wir machen. Irgendwie wird es schon gehen.«
»Ja«, pflichtete Jim bei, »ich glaub auch.«
Schweigend sahen sie zu, wie der Vollmond aufging und das ganze Meer mit seinem Silberlicht übergoss. Zarte Nebelschleier lagen über
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