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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ende
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Kaiser einsam und verlassen auf
seinem Sessel aus Silber und Diamanten unter dem Baldachin aus hellblauer
Seide. Er hatte die Stirn in die Hand gestützt und regte sich nicht. Eine
einzige Kerze verbreitete trübes Licht.
    Nun hob er langsam den Kopf und blickte
die Eintretenden an. Aber weil sie im Dunkeln standen, erkannte er seine
Freunde nicht. Er sah nur die riesenhaften Gestalten der Seeräuber. Er richtete
sich hoch auf, und die Augen in seinem totenbleichen Antlitz blitzten
ehrfurchtgebietend.
    „Was wollt ihr noch, ihr Grausamen ohne
Recht und Gewissen?“ sprach er mit seiner leisen und doch den ganzen Raum
erfüllenden Stimme. „Was sucht ihr hier? Das Teuerste habt ihr mir geraubt.
Wollt ihr nun auch noch meinen Thron besteigen und euch mein Reich nehmen? Das
wird nimmer geschehen, solange ich atme!“
    „Vater!“ rief die kleine Prinzessin. „Erkennst
du uns denn nicht?“ Sie flog auf ihn zu und warf sich an seine Brust. Der
Kaiser war vor freudigem Schreck wie erstarrt. Nur langsam vermochte er sich zu
fassen und sein Kind an sich zu drücken. Und während zwei glitzernde Tropfen
über seine blassen Wangen in seinen schneeweißen Bart rollten, flüsterte er:
„Wahrhaftig, du bist es, mein kleiner Vogel, mein Kind! Ich darf dich noch
einmal wiedersehen! Oh, ich habe es nicht mehr geglaubt.“
    Die Piraten wechselten untereinander
scheue Blicke und schauten dann zu Boden. Was sie eben gesehen hatten, rührte
sie. Und das war ein Gefühl, das ihnen bis zu dieser Stunde unbekannt gewesen
war. Ihnen allen wurde plötzlich so sonderbar weich und aufgelöst zumute und
dabei doch auch wieder so unbehaglich. Man konnte ihnen ansehen, daß sie
verwirrt waren und nicht wußten, wie ihnen geschah.
    Nun umarmte der Kaiser auch Jim und
Lukas und begrüßte den Kapitän und die Matrosen. Dann glitt sein Blick über die
Piraten, und er fragte: „So sind also diese Unholde eure Gefangenen?“
    „Nein“, antwortete Jim, „sie sind
frei.“
    Der Kaiser hob erstaunt die
Augenbrauen.
    „Tja“, sagte Lukas, „so ist es,
Majestät. Und trotzdem ist die ,Wilde 13‘ für immer besiegt. Wir alle haben’s
nicht fertig gebracht. Aber Prinz Myrrhen hat sie überwunden.“
    „Wer ist Prinz Myrrhen?“ fragte der
Kaiser mit größter Verwunderung.
    Und nun erzählten sie ihm die ganze
Geschichte.
    Als sie zu Ende waren, schwieg der
Kaiser lange, und sein Blick ruhte mit großer Liebe und Bewunderung auf dem
kleinen schwarzen Jungen, der der letzte Nachfahre eines Heiligen Dreikönigs
war. Endlich sprach er: „Was in meiner Macht steht, Prinz Myrrhen, will ich
tun, damit du das Land deiner Väter, dein rechtmäßiges Reich, wiederfindest“
    Dann ergriff er die Kerze und trat auf
die Piraten zu. Einem nach dem anderen leuchtete er ins Gesicht, als wolle er
in ihren Mienen etwas ganz Bestimmtes erforschen. Die riesenhaften Kerle
versuchten seinen Blick finster und trotzig zu erwidern, aber es gelang ihnen
nicht, und sie schlugen die Augen nieder. Nach einer Weile schüttelte der
Kaiser sein Haupt und sagte leise: „Ihr wollt euch nicht beugen, obgleich ihr
besiegt seid?“

    „Nein“, antwortete einer der Piraten
mit rauher Stimme, „die ,Wilde 13’ beugt sich vor nichts und vor niemand. Führt
uns jetzt zu dem Verräter, dem Drachen. Darum sind wir hier.“
    „Der Drache“, murmelte der Kaiser
erschrocken, „o Himmel, ich habe ihm großes Unrecht zugefügt!“
    „Was is’ mit ihm?“ fragte Jim.
    „Als Ping Pong mir die schreckliche
Unglücksbotschaft gebracht hatte“, erklärte der Kaiser, „war ich wie von Sinnen
vor Schmerz. Ich ging zu dem Drachen, um ihn zur Rede zu stellen, denn ich
glaubte, daß er euch durch seine dunklen Worte mit Absicht ins Verderben
geschickt habe. Aber weder auf meine Befehle noch auf mein flehentliches Bitten
antwortete er mir. Er redet nur zu euch, meine Freunde. Da ergriff mich ein
großer Zorn. Um ihn zu strafen, ließ ich alle Lichter in der großen Pagode
auslöschen, damit er hinfort im Dunkeln sei. Ich legte eine schwere Kette vor
die Tür und versah sie mit einem Schloß, das nie wieder zu öffnen ist.“
    „Augenblick mal, Majestät“, unterbrach
ihm Lukas überrascht, „haben Sie eben gesagt, Ping Pong war hier?“
    „Ja, meine edlen Freunde“, antwortete
der Kaiser und berichtete, wie es Ping Pong ergangen war und daß er jetzt
gerade mit der Flotte ausgelaufen sei, um die Schiffbrüchigen zu bergen.
    „Ach, deswegen is’ kein Schiff im Hafen
gewesen“,

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