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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark O'Sullivan
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nur längst nicht mehr so entspannt. Sie sieht fast ein bisschen aufgelöst aus. Außerdem rutscht ihr Rock wieder hoch. Um Himmels willen, Mam, reiß dich doch zusammen!
    »Ich bin heute bei der Arbeit zusammengebrochen«, sagt sie.
    Das Erste, was ich fühle, ist eine Art Enttäuschung. Vielleicht hätte sie lieber hier zu Hause zusammenbrechen sollen. Dann hätte ich mit zusammenbrechen können, und wir hätten uns gegenseitig wieder aufgeholfen. War ’ s nicht so, dass Familien genau so funktionieren sollten? , fragt Angie. Vorausgesetzt natürlich, sie sind noch nicht endgültig kaputt.
    »Ich musste zu einem jungen Mädchen nach Hause«, fährt sie fort. »Sie ist so alt wie du und hat ein Kind bekommen,aber ihre Familie ist ihr überhaupt keine Stütze. Ihre Mutter ist weg, und ihr Bruder sitzt im Gefängnis. Das Mädchen hat keinen blassen Schimmer, wie man für so ein Baby sorgt, du weißt schon: wie oft es zu essen braucht und all diese Sachen. Auch vom Haushalten hat sie natürlich keine Ahnung. Und trotzdem ist sie im siebten Himmel und glaubt, mit dem Baby kommt alles in Ordnung, was in ihrem bisherigen Leben schiefgelaufen ist. Ich spüre mit jeder Faser, dass die Geschichte auf eine Katastrophe zuläuft, ich hab’s ja immer wieder gesehen. Schon bei ihrer Mutter war es so, und ich konnte auch nichts dran ändern. Aber was kann ich machen? Nichts, wie es aussieht, rein gar nichts.«
    »Wenigstens hat sie jemanden, den sie lieb haben kann«, sage ich. »Und vielleicht funktioniert’s ja doch. Bei Win und ihrem Baby funktioniert es jedenfalls. Gut sogar. Bei ihnen bringt das Baby die ganze Familie wieder zusammen. Jill sagt, ihr Dad ist wie ausgewechselt.«
    »Das ist was anderes, Eala«, sagt sie.
    »Weil das Mädchen arm ist und Wins Familie nicht?«
    »Nicht arm. Oder nicht nur. Sie ist vor allem komplett durcheinander«, sagt sie, und plötzlich schaut sie mich mit einem Ausdruck im Gesicht an, der mir nicht gefällt. »Ich hab mich in letzter Zeit nicht genug um dich gekümmert, Eala. Ich bin zu sehr davon ausgegangen, dass du schon klarkommst. – Die vernünftige Eala, auf die man sich immer verlassen kann.«
    »Mir fehlt nichts.«
    »Uns fehlt allen etwas, Eala.« Mam spielt mit ihrem Ehering, zieht ihn ab und steckt ihn wieder an. »Wir stehen alle unter einem Riesendruck – und heute sowieso.«
    »Heute?«
    »Heute vor einem Jahr?« Sie sieht mich mit einem seltsam stechenden Blick an. »Der Unfall?«
    Von einem Moment auf den anderen tragen mich meine Beine nicht mehr. Ich setze mich neben sie aufs Sofa. Wie konnte ich den Jahrestag vergessen?
    Immer noch spielt die Musik, und der monotone Klang der unbegleiteten Stimmen geht mir allmählich auf die Nerven. Sie singen in vollkommener Harmonie, dann entfernen sich die Stimmen unmerklich voneinander, bis sie sich nach einer Weile wieder aufeinander zubewegen. So geht es schwebend immer weiter, Nähe und Ferne, und man fragt sich, wann sie eigentlich Atem holen und warum sie, ohne Atem zu holen, nicht sterben. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Ich bin unendlich müde. Ich sehe die Ice Queen, und ich höre sie: Du liebst Jimmy zu viel …Vielleicht hat sie recht und ist das der Grund, warum ich auf Dads Liste seiner Lieblinge immer weiter nach unten rutsche, jedenfalls unter die Ice Queen und einen Typen, von dem ich noch nie was gehört habe und nur weiß, dass er Alan heißt.
    »Er spricht von einem Alan, weißt du, wer das ist?«, frage ich. »Er sagt, es wäre sein bester Freund.«
    »Er ist auch im Head-Up-Centre«, erklärt mir Mam. »Seine Eltern waren es, die es gegründet haben. Du wirst sie beim Weihnachtskonzert kennenlernen.«
    »Weihnachtskonzert?« Ich sitze aufrecht auf der Sofakante, weil ich Dad und die anderen aus dem Centre vor mir sehe, wie sie irgendwelchen peinlichen Kinderkram aufführen, den wir unter Krämpfen aussitzen müssen. »Du meinst, wie in der Schule? Da bringen mich keine …«
    »Nein, natürlich nicht. Es ist ein Benefizkonzert«, sagt Mam. »Es treten ein paar hiesige Künstler auf, und es gibt eine Tombola. Wir werden nur ein bisschen mithelfen.«
    »Und dieser Alan ist also auch dort, wie Jimmy?«
    »Ja. Und er ist ein richtig netter Mensch. Mir tut’s nur leid, dass er wahrscheinlich bald wegzieht«, sagt sie.
    »Wohin?«
    »Er steht auf der Warteliste für ein Wohnheim in Limerick und hat gute Chancen, dass er dort einen Platz bekommt.«
    »Sie wollen ihn weghaben?«
    »Es ist keine

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