Jimmy, Jimmy
okay?«
»Reden? Das ist alles, was du willst – reden!«, sagt Dad.
Ich sehe nur noch Sterne. Weißer Lärm füllt mir die Ohren.
»Martin«, sagt sie, »kannst du bitte ein bisschen bei Jimmy bleiben? Fiona ist hier. Ich muss mit ihr reden.«
»Sicher.«
Dad geht die Treppe zu seinem Zimmer hinunter. Er scheint nicht gerade begeistert, dass sein alter Kumpel ihm folgt. Und Martin sieht aus, als hätte er das, was er gerade gehört hat, lieber nicht gehört. Ich will nur noch in mein Zimmer, aber Mam sagt:
»Eala, bitte!«
Als sie zur Seite tritt, sehe ich Sean und Fiona Sheedy im Wohnzimmer auf dem Sofa sitzen. Sean hat geweint. Miss U drückt seine Hand, und er zieht sie auch nicht weg, als er mich sieht. Ich brauche dringend eine neue Tablette.
»Bitte!«, sagt Mam noch mal. »Ich möchte ohne dich keine Entscheidungen treffen.«
28
»Hoher Besuch am niedrigen Tisch« – so sagte Dad immer, wenn das gute Porzellan auf den Tisch kam und die Gäste im Wohnzimmer bewirtet wurden. Dann brannte auch ein Feuer im Kamin, und als ich noch klein war, wollte ich immer diejenige sein, die den Tee einschenkte und das Gebäck auf den vornehmen Goldrandtellern herumreichte. Heute Abend übernimmt das Mam. Sean sitzt still und mit roten Augen da. Er schaut mir nicht in die Augen, und ich wüsste zu gern, ob er mich verraten hat. Mich und Dad. Miss U hat offenbar die Gesprächsleitung.
»Und die Proben laufen gut?«, fragt sie mich.
Ein freundlicher Blick ruht auf mir, den Kopf hat sie auf ihre nervige Weise zur Seite geneigt. Trotzdem ist irgendetwas an ihr anders, irgendetwas, das ich in meinem Zustand nicht benennen kann.
»Geht so. Macht Spaß.«
»Die ›West Side Story‹ – es ist eine moderne Version von ›Romeo und Julia‹, stimmt’s? Und wer ist dein Romeo?«
»Ein Idiot namens Derek.«
Mams Blick soll eine Warnung sein.
»Fiona möchte, dass wir etwas miteinander besprechen. Etwas, worüber wir gemeinsam entscheiden müssen.«
»Wir können darüber allein reden«, sage ich.
Ich beobachte Miss U und die liebevolle Art und Weise, wie sie Sean anschaut.
»Die Dinge haben sich … die Dinge haben sich heute Abend zugespitzt, Eala«, sagt Mam, und ich denke: Hier geht ’ s nicht um die Sache mit Dads Gefängnisaufenthalt. Hier geht ’ s darum, was heute Abend passiert ist. Ich hatte also recht: Martin hatte Mam angerufen.
»Wir müssen alle versuchen, die Sache nüchtern zu betrachten …« Mam kämpft mit sich, und ich fahre schon die Krallen aus, aber Sean funkt mir dazwischen.
»Starsky war hier.«
»Und?« Ich werde dummerweise rot, als Brians Vater erwähnt wird, aber mein Gehirn funktioniert trotzdem erstaunlich gut. Dann hat Martin also auch Starsky angerufen und ihm von Dads Ausraster erzählt.
»Ich hab ihm gesagt, dass ich den Hund nicht vergiftet hab, und er: ›Schön, aber ich mach ab morgen Urlaub in Marokko, und egal welcher Kollege den Fall übernimmt, er wird deinen Vater befragen müssen.‹ – Da hab ich’s zugegeben.«
Sagt Sean. Und ich sitze auf einer außer Kontrolle geratenen Berg-und-Tal-Bahn, die mit unberechenbaren Rucken ständig das Tempo und die Richtung wechselt.
»Er will versuchen, dass die Sache außergerichtlich geregelt wird, aber so will ich gar nicht davonkommen«, sagt mein Bruder. »Ich hab’s nicht verdient.«
»Wir sind alle an unseren Grenzen, Sean«, sagt Mam. Und mit einem Blick zu mir. »Wir alle .«
Ich halte einen zerkrümelten Keks in der Hand und weiß weder wie er da hingekommen, noch wie er zu Bruch gegangen ist. Ich mache eine Faust, damit die Krümel nichtauf den Boden fallen. Mein Kopf verweigert das Denken, aber alle drei starren mich an. Sag was , sagt Angie, egal was!
» Der Mann ist Zinédine Zidane.«
»Zinédine Zidane?«, fragt Miss U.
Ich erkläre ihnen meine Theorie, aber ich weiß selbst, dass sie nicht sehr überzeugend klingt, weil ich Dads Kopfstoß auslasse. Ich rede trotzdem immer weiter. Mam und Sean sind wie hypnotisiert, aber ich merke bald, dass es nicht meine Geschichte ist, die sie so fasziniert. Was sie fasziniert, bin ich selbst.
»Du interpretierst zu viel in diese komische Bewegung hinein«, sagt Miss U. »Jimmy hat physisch unglaubliche Fortschritte gemacht, aber es ist schwer, eine Hemiplegie ganz zu überwinden.«
»Eine Hemi…?« Ich habe das Wort schon mal gehört und wusste wahrscheinlich auch, was es bedeutet, aber jetzt gerade klingt es wie ein Planet aus einem von Seans
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