Jinx - der verfluchte Liebeszauber
fühle mich so schrecklich schuldig«, sagte Tante Evelyn. »Wenn wir uns nicht im Datum vertan und dich am Flughafen abgeholt hätten, dann …«
»Dann was?«, fragte ich. »Hättet ihr dann vorsorglich sämtliche Fahrradkuriere in ganz New York irgendwo eingesperrt, damit ich ihnen nicht vors Rad laufe?«
Das hätte auch nichts genutzt. Mir wäre trotzdem etwas Schreckliches passiert. Irgendetwas passierte mir immer.
»Ach, Jean.« Tante Evelyn lächelte. »Wir hatten deinen ersten Abend hier bei uns ganz anders geplant. Paula wollte dir zu Ehren groß kochen, und wir hätten alle schön zusammen bei Kerzenlicht im Esszimmer zu
Abend gegessen, statt dich aus dem Krankenhaus abzuholen und uns etwas vom Chinesen liefern zu lassen …«
Arme Tante Evelyn. Jetzt erfuhr sie am eigenen Leib, was meine Mutter die ganze Zeit mit mir durchmachte.
»Das tut mir leid«, sagte ich zerknirscht.
Tante Evelyn sah mich erstaunt an. »Wie bitte?«, sagte sie. »Dir muss gar nichts leidtun. Es war doch nicht deine Schuld.«
Aber da irrte sie sich. Es war meine Schuld. Ich hatte ganz genau gewusst, was ich tat. Ich hatte gewusst, dass der Fahrradkurier in mich reinfahren würde und nicht in Zack.
Aber ich hatte auch gewusst, dass mir viel weniger passieren würde als Zack, weil ich – im Gegensatz zu ihm – ja auf den Aufprall vorbereitet gewesen war.
Warum hätten die Geranien und die Haustür denn sonst so blutrot leuchten sollen?
Aber das sagte ich natürlich nicht laut. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es keinen Zweck hatte, solche Gedanken auszusprechen. Das führte nur dazu, dass man mir Fragen stellte, die besser unbeantwortet blieben.
»Klopf, klopf!«, drang Onkel Teds Stimme durch die geschlossene Tür. »Dürfen wir reinkommen?«
Tory stand auf und öffnete ihm. Onkel Ted hielt die fünfjährige Alice, die ein geblümtes Nachthemd trug, auf dem Arm, während sich der achtjährige Teddy junior in seinem grünen Shrek-Schlafanzug schüchtern hinter ihm versteckte.
»Ich habe hier zwei kleine müde Besucher«, sagte Onkel Ted, »die ihrer Cousine Jean Gute Nacht sagen wollen, bevor sie ins Bett gehen.«
»Also gut«, sagte Tante Evelyn besorgt. »Aber nur ganz kurz. Jean braucht …«
Sobald Onkel Ted Alice abgesetzt hatte, hopste sie mit einem Satz auf mein Bett und wedelte aufgeregt mit einem riesigen Blatt Papier vor mir herum. »Jinx! Jinx!«, lispelte sie. »Guck mal, was ich dir gemalt hab.«
»Vorsichtig, Alice!«, rief Tante Evelyn. »Jean geht es nicht so gut !«
»Das ist schon okay.« Ich zog Alice an mich, so wie ich es früher immer mit Courtney und Sarabeth gemacht hatte (wenn sie mich ließen). »Dann zeig mal, was du für mich gemalt hast.«
Alice präsentierte mir stolz ihr mit Wasserfarben gemaltes Bild. »Schau«, sagte sie. »Das ist ein Bild von dem Tag, an dem du geboren worden bist. Da ist das Krankenhaus, siehst du? Und das da bist du, wie du gerade aus Tante Charlottes Bauch rauskommst.«
»Wow«, sagte ich und staunte, was Vorschulkinder in New York so alles beigebracht bekamen. »Das ist wirklich total … realistisch.«
»Das Meerschweinchen aus ihrer Klasse hat gerade Junge bekommen«, erklärte Onkel Ted verlegen.
»Und schau hier …« Alice deutete auf einen großen schwarzen Fleck in der oberen Bildecke. »Das ist die Wolke, aus der der große Blitz geschossen ist. Du weißt schon, der Blitz, der im ganzen Krankenhaus das Licht
kaputtgemacht hat, als du geboren worden bist.« Alice schmiegte sich an mich und war sichtlich stolz auf ihr Werk.
Ich lächelte etwas gezwungen und sagte: »Das ist ein sehr schönes Bild, Alice. Weißt du was? Ich hänge es mir an die Wand. Direkt über den Kamin.«
»Der Kamin geht aber nicht«, informierte mich Teddy junior, der es sich am Fußende meines Betts gemütlich gemacht hatte.
»Das weiß Jean schon«, sagte Onkel Ted. »Bald wird es sowieso Sommer und dann ist es zu warm für Kaminfeuer.«
»Ich hab ihnen gesagt, dass sie dir das Zimmer hier geben sollen, weißt du?«, sagte Teddy zu mir. »Weil der Kamin kaputt ist. Dann kannst du nicht aus Versehen unser Haus abbrennen. Weil doch immer überall, wo du bist, irgendwelche schlimmen Sachen passieren.«
»Theodore Gardiner junior!«, rief Tante Evelyn streng. »Du entschuldigst dich sofort bei deiner Cousine.«
»Aber wieso denn?«, fragte Teddy entgeistert. »Das hast du doch selbst gesagt, Mom. Deswegen wird sie doch auch von allen Jinx
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