Joanna Bourne
Söhne in Ägypten starben.«
Soulier schaute mit zusammengepressten Lippen zur Seite. »Andere Männer haben auch Söhne verloren.«
»Der Tod seiner Söhne war so sinnlos. Napoleon segelte heim, um Paraden abzuhalten und die Beine seiner Tische mit Sphinxen zu versehen. Emile und Philippe starben im Fieber und Gestank von Kairo, im Stich gelassen von dem Mann, der sie dorthin geführt hatte. Sie starben für die Eitelkeit eines Korsen, meinte Vauban.«
Wie konnte Soulier kein Verständnis dafür haben? Er war Vaubans Freund gewesen. Wie konnte er nur so überrascht und missbilligend dreinschauen? »Er war alt, müde und krank. Sein ganzes Leben lang hatte er im Dienste Frankreichs gestanden. Der Terror hatte ihm alles genommen – sein Zuhause, seine Familie, seine Frau.«
»Das weiß ich, mein Kind. Ich war dort.«
»Nur seine Söhne waren ihm noch geblieben. Und dann hat Napoleon ihr Leben weggeworfen, weil er einfach aus einer Laune heraus den Osten beherrschen wollte.«
Sie schüttelte Grey ab und fing an, hin und her zu gehen, weil sie nicht stillstehen konnte. Die Franzosen, Souliers Agenten, folgten ihr mit Blicken und warteten ab, was sie sagen würde. Souliers Schmerz hieb mit stummen Schlägen auf sie ein.
Ihre Stimme wurde fester. »Und dann plante Napoleon eine weitere riesige Invasion. Diesmal sollte es England sein. Deshalb hat Vauban die Pläne gestohlen. Er sagte, Napoleon habe die Revolution verraten.«
Soulier strich sich über die Stirn. »Er war immer der Träumer unter uns. Der Idealist. Aber dies … «
»Damit es keine sinnlosen Schlachten in Übersee mehr gäbe, keine im Stich gelassenen französischen Armeen. Er wollte es verhindern.«
Soulier hob den Blick und sah sie an. »Du standest unter seinem Befehl, Annique. Wenn er dich um deine Hilfe gebeten hätte in dieser … «
Glaubte er wirklich, dass Vauban ihr das auferlegt hätte? »Oh, nein. Er hat mir nichts gesagt. In Brügge sollte ich wie immer kleine Aufträge erledigen, nach den Briten Ausschau halten. Aber Leblanc … «
Leblanc wehrte sich gegen die Männer, die ihn festhielten, da er wusste, was sie als Nächstes erzählen würde. Sein Hass erreichte sie wie in Wellen. Sie holte stockend und schmerzhaft Luft, bevor sie weitersprechen konnte. »Tillman, Leblancs kleiner Wurm beim englischen Militärgeheimdienst, verriet Leblanc, wo die Briten das Gold übergeben würden. Die Engländer wurden zuerst von einem Landsmann verraten.«
Sie drehte sich zu Grey um. Seine Miene blieb ausdruckslos, sein frostiger Blick ruhig. Er war es, an den sie ihre Worte richtete. »Leblanc legte sich auf die Lauer, brachte sie um und nahm das Gold an sich. Dieses Goldes wegen hat er mit ungeheurer Grausamkeit gemordet.«
Er nickte, als sie das sagte, nahezu unmerklich. Von diesem Moment an war Leblanc tot. Vielleicht konnte er sich noch für eine Stunde oder eine Woche seines Lebens erfreuen, trotzdem war er tot. Soulier wusste es. Leblanc hingegen, schien es noch nicht erkannt zu haben.
»Sie lügt. Ich schwöre, dass alles gelogen ist, Soulier.« Leblanc wand sich vor Wut und Angst. Auf seinem Gesicht zeigten sich lange rote Kratzer. »Vauban war’s, Vauban allein. Ich weiß nichts davon.«
Sie machte sich nicht die Mühe, Leblanc anzusehen. »Ich war bei Vauban. Leblanc kam in die Schenke. Seine Kleidung war immer noch besudelt vom Blut der Männer, die er hingemetzelt hatte.« Sie erinnerte sich an den Schock und wie angewidert sie gewesen war, an Vaubans ungläubige Wut. »Leblanc wusste, dass Vauban die Pläne haben musste. Er verlangte sie als Preis für sein Schweigen.«
»Die Hure lügt. Sie lügt, wenn sie den Mund aufmacht. Ich war an dem Tag in Paris und könnte ein Dutzend Männer nennen, die das bezeugen würden.«
»Er war dort, hatte sich jene Nacht im Bauernhaus von Paul Drouet in Brésanne versteckt. Nein.« Sie zischte ihn an. »Seid still, Made. Eure Männer Plaçais und Vachelard wurden auf Euren geheimen Befehl hin beseitigt, die Drouets verbrannten in ihren Betten. Es war nicht besonders gesund, diese Geschichte über Euch zu kennen, Leblanc. Aber eine Tochter konnte entkommen und hat überlebt. Es gibt eine Zeugin.«
Von Minute zu Minute wuchs die Bereitschaft von Yves und den anderen Wachen, Leblanc fest und äußerst unsanft im Griff zu behalten.
»Hört Euch nicht länger das Geschwätz dieser Hure an, dieser läufigen Hündin, die sich schwitzend und stöhnend von einem englischen Hund besteigen
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