Job Future - Future Jobs

1990 hinter uns lassen, bitte ich Sie, den geschilderten Alltag daraufhin zu betrachten, was damals fehlte. Habe ich mich mit Freunden kurzfristig zu einem Treffen am Abend verabredet? Nein, denn ich hatte ja kein Mobiltelefon, und bei der Arbeit riefen sie mich nicht an. Folglich planten wir Treffen lange im Voraus und änderten Kleinigkeiten in letzter Minute. Hatte ich engen Kontakt zu Kunden? Ja: Mangels Internet trafen wir uns persönlich, redeten am Telefon oder schrieben uns. Und schließlich: Knüpfte ich Kontakte zu Kunden auf der ganzen Welt? Ja und nein. Tatsächlich hatte ich einen in Südafrika. Wir schrieben uns, faxten uns und telefonierten miteinander. Dreimal jährlich reiste ich nach Pretoria und blieb zwei Wochen. Diese Dauer galt für einen »Überseetrip« damals als angemessen.
    Worauf ich hinauswill: Im Gegensatz zu Jills Alltag war meiner nicht zerrissen. Wäre jemand mit der Stoppuhr neben mir gestanden, hätte er festgestellt, dass ich für jede Tätigkeit im Durchschnitt eine halbe Stunde aufwendete. Wenn ich einem Kunden Vorschläge unterbreitete, konnte ich mit ihm zwei Stunden lang ungestört sprechen. Täglich gingen nur 20 Schreiben ein, die ich nach dem Lesen erst am nächsten Tag beantwortete. Keiner erwartete sofort eine Antwort. Und wenn es zu lange dauerte, konnten wir uns herausreden: »Der Brief ist wohl bei der Post verloren gegangen!« Internet gab es nicht. In meinem Büro stand nicht einmal eine Schreibmaschine. Tippen war Sache meiner Sekretärin und der Schreibkräfte, alles Frauen.
    Das Jahr 1990 habe ich deshalb für unser Erinnerungsexperiment ausgewählt, weil es in vielerlei Hinsicht den Beginn einer extremen Zersplitterung der Arbeit markiert. In den nachfolgenden zehn Jahren begannen die Kräfte der Technisierung und Globalisierung, die Arbeit in immer kleinere Stücke zu zerreißen. Um das Jahr 2000 und im folgenden Jahrzehnt wurde diese Fragmentierung erst so richtig spürbar. 2006 zum Beispiel schrieb der bekannte Autor Stefan Klein Zeit. Der Stoff, aus dem das Leben ist. Eine Gebrauchsanleitung . 3 Gleichzeitig wandte sich die Wissenschaft der Zersplitterung der Zeit zu. 2008 brachte eine Gruppe von Forschern von Australien bis Finnland das Buch Discretionary Time: A New Measure of Freedom (Frei verfügbare Zeit: Ein neues Maß der Freiheit) heraus. Es dokumentiert den Zeitdruck, den Menschen überall auf der Welt verspüren. 4 Die Arbeit ist in einen Prozess der Zersplitterung eingetreten, der sich im letzten Jahrzehnt rasant beschleunigt hat. Und alles deutet darauf hin, dass der Trend in den kommenden Jahrzehnten anhält.
    Da sich die zunehmende Zersplitterung »schleichend« und nicht augenblicklich vollzog, verhalten wir uns alle wie der gekochte Frosch. Hätte man mich 1990 abrupt in mein Leben von 2010 versetzt, wäre ich über das Ausmaß seiner Zersplitterung sicher verblüfft und wahrscheinlich entsetzt gewesen. Aber die Entwicklung verlief so langsam, dass ich wie alle anderen kaum dagegen aufbegehrt habe.
    Bei der Betrachtung von Jills Alltag denke ich an die Zersplitterung in meinem Umfeld, an meine Lehrprogramme und die Führungskräfte, die nach Ende meiner Schulung sofort zum Mobiltelefon greifen – obwohl wir doch aufgezeigt haben, wie wichtig Überlegung und konzentrierte Ruhe für einen Lernprozess sind. Oder an meine Kinder, die fernsehen, Facebook-Einträge aktualisieren und auf ihrem Computer einen Film verfolgen – alles zur selben Zeit.
    In den letzten 20 Jahren schritt die Fragmentierung in unserer Welt stetig weiter voran. Das Szenario von Jills Alltag lässt ahnen, dass die Zersplitterung in den kommenden 20 Jahren für viele zunehmen wird. Leben Sie schon in einer zersplitterten Welt? Wenn dem so ist oder so sein wird, müssen Sie sich fragen, welche Folgen eine solche Zersplitterung haben kann.
Wenn Ihr Arbeitsleben zersplittert
    Hat die Zersplitterung in unserem Leben, die in Zukunft zunehmen wird, eine Bedeutung? Die Globalisierung und Technisierung zerreißt das Leben in den entwickelten Ländern und zusehends auch in den Schwellenländern. Worin besteht das echte Problem bei dieser Zersplitterung? Was kommt dabei zu kurz? Wenn wir über unser gegenwärtiges Arbeitsleben nachdenken, können wir annehmen, dass Überlastung und Zeitdruck in den kommenden Jahrzehnten weiter zunehmen werden. Wie wirkt sich dies aus? Ich glaube, Zersplitterung, Überlastung und Zeitdruck werden unser Konzentrationsvermögen, unsere Beobachtungsgabe