Job Future - Future Jobs
täglich Hunderte von Botschaften ins Postfach schwemmten und als Ihr Mobiltelefon Sie bereits bei jeder Gelegenheit störte.
Rückblick in die Vergangenheit:
ein noch nicht zersplitterter Tag 1990
Erinnern Sie sich an eine Zeit, als die Arbeit noch an einem Stück hing? Vielleicht hat der Autor Jared Diamond recht, wonach die Zersplitterung zur »schleichenden Normalität« wurde. 2 Demnach hat diese sich so langsam in unser Arbeitsleben eingeschlichen, dass wir ihre schmerzhaften Auswirkungen kaum bemerkten. Als Folge davon akzeptieren wir eine Entwicklung, gegen die wir, wäre sie plötzlich eingetreten, heftig rebelliert hätten.
Mich erinnert dies an die Geschichte vom Frosch: Wirft man einen Frosch in einen Kessel mit kochendem Wasser, springt er sofort wieder heraus. Setzt man ihn dagegen in kaltes Wasser und erhitzt es langsam, bemerkt er den sanften Temperaturanstieg gar nicht und wird schließlich bei lebendigem Leib gekocht.
Haben wir uns an diese »schleichende Normalität« so sehr gewöhnt, dass wir blind geworden sind für die Auswirkungen, die sie auf unser jetziges und mehr noch auf unser künftiges Arbeitsleben hat? Überprüfen wir diesen Gedanken. Versuchen wir, einen Arbeitstag vor der Zeit der Zersplitterung zu rekonstruieren. Blenden wir kurz anstatt in die Zukunft vor in die Vergangenheit, ins Jahr 1990, zurück: Mobiltelefone waren damals selten. Abgesehen von denen an der US-Westküste hatten nur die wenigsten Büros – und zu Hause niemand – einen Internetanschluss.
Um die damaligen Verhältnisse nachzuvollziehen, muss man entweder in seinen Erinnerungen kramen (ich bin dazu in der Lage) oder sie sich von jemandem schildern lassen, der vor 20 Jahren schon berufstätig war. Dabei kommt es auf die Details an. Soweit ich mich noch erinnere, hat sich für mich ein typischer Arbeitsalltag im Jahr 1990 ungefähr so abgespielt:
Ich war damals als Chefberaterin in einer in Großbritannien niedergelassenen Consulting-Firma tätig: Nach dem Aufwachen am Morgen esse ich mit meinem Mann Frühstück und höre mir im Radio die Nachrichten an. Um 8.00 Uhr gehe ich zur Arbeit. Um 9.00 Uhr sitze ich am Schreibtisch. Meine Sekretärin geht mit mir die Post durch, die am Morgen eingegangen ist. 20 Schreiben sind es durchschnittlich an jedem Morgen. Ich diktiere der Sekretärin meine Antworten. Ab 10.00 Uhr verbringe ich zwei Stunden mit der Ausarbeitung eines Vorschlags für einen Kunden. Mein handschriftliches Manuskript wird anschießend abgetippt. Um 12.30 Uhr gehe ich mit Bürokollegen auf ein kurzes Mittagessen in ein Pub.
Um 13.30 Uhr sitze ich wieder am Schreibtisch und bereite mich auf zwei Treffen mit meinem Team vor. Um 15.00 Uhr fahre ich im Taxi zur Zentrale eines multinationalen Konzerns, um potenziellen Kunden Vorschläge zu präsentieren. Gegen 16.30 Uhr bin ich zurück im Büro und zeichne die Briefe ab, die ich meiner Sekretärin am Morgen diktiert habe. Nach zwei weiteren Telefonaten gehe ich den Vorschlag durch, der inzwischen abgetippt zurückgekommen ist. Ich nehme einige Änderungen vor und schicke ihn zu den Schreibkräften zurück. Um 17.30 Uhr leert sich allmählich das Büro. Ich trommle ein paar befreundete Kollegen zusammen, mit denen ich auf ein kurzes Glas in ein Pub gehe. Um 18.30 Uhr trete ich den Heimweg an und esse mit meinem Mann um 19.30 Uhr zu Abend.
Wenn ich zu Hause ankam, war mein Arbeitstag zu Ende. Vielleicht hatte ich ein oder zwei Schreiben zum Lesen mitgenommen, was aber selten vorkam. Geschrieben habe ich dort aber bestimmt nichts: Ich hatte zu Hause nicht einmal eine Schreibmaschine, und einen Computer schon gar nicht. Meine Arbeit blieb zwangsläufig auf die Bürostunden beschränkt. Und mit Kunden habe ich sicher auch nie nach 18.00 Uhr geredet. Sie hatten von mir keine Privatnummer, und Mobiltelefone gab es kaum.
Ich möchte die Vergangenheit nicht verklären: Ich könnte der Schilderung hinzufügen, dass das Klima an meinem Arbeitsplatz sexistisch war. Als erster weiblicher Chefberater galt ich als eine Exotin. Und wir lebten ziemlich ungesund. Wir rauchten ständig im Büro und tranken zum Mittagessen und jeden Abend Alkohol. Mir geht es hier nicht um Nostalgie. Der Rückblick in die Vergangenheit hilft uns vielmehr dabei, uns vorzustellen, wie die Zukunft in zehn oder 20 Jahren aussehen könnte. Er vermittelt uns eine gute Vorstellung von den möglichen Geschwindigkeiten, Rhythmen und Abläufen eines Arbeitsalltags.
Bevor wir diesen Tag im Jahr
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