Job Future - Future Jobs
Rat, wie sie mit Verkäufen umgehen sollen. Um 11.30 Uhr trifft Jill im Bürozentrum ein. Nach einem kurzen Blick findet sie einen unbesetzten Bildschirmarbeitsplatz, grüßt Kollegen, entdeckt zwischen bekannten auch neue Gesichter und loggt sich ein.
Ihr Chef Jerry will unbedingt die täglichen Verkaufszahlen durchsprechen. Um 15.00 Uhr wird sie in sein Büro bei ihm zu Hause in Los Angeles durchgestellt. Da vor Ort noch früher Morgen ist, erscheint sein Avatar: Keiner will bei der Arbeit im Schlafanzug gesehen werden. Das Gespräch verläuft recht positiv: Einer von Jills wichtigsten Kunden ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Ruanda. Sie stehen in Verhandlungen für eine wichtige Order an Chips für Handgeräte. Jill hat den Kunden schon früher am Tag erreicht und konnte Jerry über den Stand der Dinge und die zu erwartenden Erträge bereits informieren. Jetzt will Jerry auch Jills Ansicht darüber wissen, wie die Märkte in Patagonien und Peru am besten aufzubauen seien. In den letzten beiden Jahrzehnten waren Essar in Kenia und MTN in Südafrika Marktführer auf ihrem Gebiet und setzten besonders geschickt Anreize, damit ihre Kunden ihre Geldtransfers über Mobiltelefone abwickeln. Inzwischen boomt das Geschäft. Dann will Jerry von Jill wissen, wie sich die Erfahrungen in Kenia auf die stetig wachsenden Märkte in Chile und Argentinien übertragen lassen. Er plant eine Zusammenarbeit mit einem chinesischen Telekommunikationsriesen, der in diesen Ländern stattliche Investitionen tätigt.
Um 16.00 Uhr ist das Gespräch mit Jerry zu Ende. Vor dem Team-Briefing um 16.30 Uhr wirft Jill einen letzten Blick in ihre Mitteilungen. Bei dieser Gelegenheit kontaktiert sie die Mitglieder ihres US-Teams und befragt sie nach ihrer Ansicht zur Lage in Ruanda. Einige haben sich in die Bürozentrale im Zentrum von Phoenix begeben und für die nächsten 30 Minuten den Telepräsenzraum gebucht. Jill wartet einen Augenblick, bis die Leitung frei ist, und wird zu ihrer Gruppe durchgestellt. Ton- und Bildqualität sind wie immer erstklassig. Sie bekommt einen lebensechten Eindruck davon, was man im Team in Phoenix von dem Projekt hält. Um 17.00 Uhr ist die Konferenz vorbei. Jill schnappt ihre Tasche, eilt zum Bahnhof und fährt mit dem Zug nach Hause. Wie jeden Mittwoch – ein eingespieltes Ritual – wird sie daheim zu Abend kochen. Um 18.00 Uhr macht sie im lokalen Supermarkt die Besorgungen und schließt gegen 18.30 Uhr ihre Wohnungstür auf.
Ein Augenblick der Stille: Essen auf dem Tisch, Gespräch mit der jungen Tochter und eine große Tasse Kaffee.
Um 22.00 Uhr sitzt sie im Arbeitszimmer und fährt den Rechner für die Videokonferenz mit Peking hoch. Sie will jemanden aus ihrem Team erreichen, bevor dort der Tag richtig losgeht: Jerry denkt an eine engere Partnerschaft mit der chinesischen Telecom. Jill will die Meinung einer Kollegin hören, wie dies am besten zu bewerkstelligen wäre. Um 22.20 Uhr ist die Konferenz zu Ende. Nach einer letzten Tasse Kaffee setzt sich Jill zu den Abendnachrichten vor den Fernseher. Gebannt starrt sie auf die lodernden Brände in Russland und die Überschwemmungen, die Pakistan immer schlimmer verwüsten. Bevor ihr die Augen zufallen, sieht sie als letztes Bild Aktivisten von Greenpeace, die den Schutz des letzten verbliebenen Stücks Regenwald in Amazonien fordern …
Willkommen in der zersplitterten Welt, in der scheinbar kein Arbeitsablauf länger als drei Minuten dauert. Hier konkurrieren diejenigen, die Arbeit haben, dauernd mit anderen überall auf dem Globus darum, den Interessen von Auftraggebern zu dienen.
Halten Sie Ihre Welt bereits für zersplittert? Wahrscheinlich werden Sie schon jetzt alle drei Minuten bei Ihrer Arbeit unterbrochen. 1 Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Technik schon jetzt Ihr Leben kontrolliert, dann machen Sie sich darauf gefasst, dass es im Jahr 2025 noch schlimmer wird. In der globalen Welt ist alles so stark miteinander vernetzt, dass Erreichbarkeit rund um die Uhr die Regel ist. In dieser Welt stehen fünf Milliarden Menschen über elektronische Handgeräte miteinander in Verbindung und können mit Ihnen jederzeit Kontakt aufnehmen wollen. Stellen Sie sich vor: Weder Rast noch Ruh, niemals Zeit zur Besinnung. Immer angeschlossen, immer eingeklinkt, immer online.
Diese Zersplitterung von Arbeit setzte um das Jahr 2000 ein. Damals hatte eine halbe Milliarde Menschen Zugang zum Internet, als Schreibtischcomputer und E-Mail-Anschlüsse
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