Job Future - Future Jobs
und unsere Lernfähigkeit verringern. Vielleicht wird das Arbeitsleben unserer Kinder hektischer, einseitiger und weniger spontan und spielerisch.
Der konzentrierte Erwerb meisterhafter Fähigkeiten geht verloren
Wenn unsere Arbeitszeit zersplittert, geht das zuerst zulasten echter Konzentration. In ihrem Leben, das in kleine Bruchstücke zersplittert ist, hat Jill weder Zeit noch Gelegenheit oder Geduld, um in einem Teilbereich meisterhafte Fähigkeiten zu entwickeln. Sie kann sich nicht darauf konzentrieren, jenes herausragende Können zu erwerben, das ihr den Aufstieg in eine höhere Liga ermöglichen würde. Wie ich später zeigen werde, ist dies für zukünftigen Erfolg aber entscheidend. Jill erfüllt ihre Aufgaben zweifellos gut, aber eben nicht ausgezeichnet. Dass ihr herausragende Fähigkeiten fehlen, liegt an ihrem Leben im Dreiminutentakt. Um meisterhafte Fähigkeiten zu entwickeln, braucht man Zeit und Konzentration. Und Jill fehlt beides.
Die Bedeutung der beiden Faktoren zeigt eine Studie des Psychologen Daniel Levitin zu Menschen mit besonderen Qualifikationen. Levitin befasste sich mit dem Leben von »Komponisten, Basketballspielern, Romanschriftstellern, Eiskunstläufern … und genialen Verbrechern«. 5 Obwohl sie in völlig unterschiedlichen Bereichen brillierten, so fand Levitin heraus, hatten alle etwas gemein. Sie hatten sich darauf konzentriert, ihre Fähigkeiten über lange Zeiträume hin weiterzuentwickeln. Tatsächlich stellte er fest, dass 10 000 Stunden Praxis die gemeinsame Grundlage sind, auf der meisterhaftes Können erworben wird. Übertragen auf Jills Leben bedeutet dies, sie müsste sich zehn Jahre lang drei Stunden am Tag auf eine Sache konzentrieren. Natürlich strebt Jill nicht danach, eine Konzertpianistin oder Romanschriftstellerin der Weltklasse zu werden. So viel Konzentration auf eine Sache wäre also übertrieben. Aber um in ihrer Arbeitswelt wirklich gebraucht zu werden, benötigt sie eine Form besonderen Könnens. Aber im Augenblick kann sie kaum mehr als drei Minuten bei einer Sache bleiben, geschweige denn drei Stunden.
Wenig Gelegenheit, aus Beobachtung zu lernen
Aber nicht nur die Konzentration auf eine Sache leidet. In einem so zersplitterten Arbeitsleben wie dem Jills mit Abläufen im Dreiminutentakt geht auch die Gelegenheit verloren, sich einfach hinzusetzen und andere, die besser sind, bei ihrer Tätigkeit zu beobachten. 6 Dies aber ist wichtig, entwickeln wir doch gerade anhand der Beobachtung anderer, die weiter sind, ein Gespür für die subtilen Verbesserungen in ihrer Tätigkeit, die wir auf die eigene Arbeitspraxis übertragen können. 7
Ich entdecke dies am Beispiel des Erwerbs didaktischer Fähigkeiten. An der London Business School müssen neue Hochschulassistenten Wirtschaftsstudenten im ersten Studienjahr unterrichten. Sie müssen schlimme Erfahrungen machen. Sie verschätzen sich im Zeitplan, überziehen den Unterricht und treiben die Studenten auf die Barrikaden. Sie pfuschen bei den Prüfungsbewertungen, nehmen die falschen Notenskalen und handeln sich das Misstrauen der Prüflinge ein. Sie stopfen ihre Folien so voll, dass jeder Betrachter den Überblick verliert. Die Liste der möglichen Anfängerfehler ist endlos. Damit sie die schlimmsten vermeiden, geben wir ihnen eine Liste mit Tugenden und Lastern für den Unterricht an die Hand. Obwohl hilfreich, deckt sie aber nicht alle Probleme ab. Schärft man einem Hochschulassistenten ein, auf den Zeitplan zu achten, konzentriert er sich zwar darauf, spricht aber möglicherweise so leise, dass er in den hinteren Reihen nicht mehr verstanden wird. Bei unserer Betreuung haben wir die Erfahrung gemacht, dass eine Lehrkompetenz in Wirtschaft in vielen Stunden des Feinschliffs erworben werden muss. Sie umfasst einen großen Anteil an »stillem« Wissen, also einem Können, das sich nicht in zehn Punkten beschreiben lässt, sondern tief im Unterbewusstsein Wurzeln schlagen muss. Irgendwann erkannten wir, dass diese Neulinge am besten lernten, wenn sie einfach andere beim Unterrichten beobachteten und dabei sehr genau hinschauten, wie diese vorgingen. Dabei geht es nicht um eine gezielte Nachahmung. Wir wollen bestimmt nicht, dass alle demselben Unterrichtsstil frönen. Aber die sorgfältige Beobachtung stieß bei den neuen Hochschulassistenten einen tief greifenden Lernprozess an, bei dem sie ihren eigenen Unterrichtsstil entwickelten. Dazu mussten sie sich ganz auf die Sache konzentrieren, mehrere
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