Jodeln und Juwelen
glockenförmiges Hütchen, das Mutters
Putzmacherin aus demselben Stoff angefertigt hatte, aus dem auch das Kostüm
geschneidert war.
Sobald sie im Camp angekommen waren,
hatten sie sich umgezogen und waren in kurzärmelige weiße Matrosenblusen mit
grünen Krawatten und weite grüne Pumphosen geschlüpft. Grün war natürlich die
Campfarbe gewesen. Es hatte als besonders schick gegolten, das Ensemble mit
nackten Beinen und nicht allzu neuen weißen Leinenschuhen zu kombinieren. Ein
Knoten im Schnürsenkel oder ein Loch in der Zehengegend hatte die Betreffende
als Sportenthusiastin und Feriencampveteranin ausgewiesen. Einmal die Woche
mussten sie die Schnürsenkel unter dem wachsamen Blick des Betreuers
herausziehen, gemeinsam mit den Turnschuhen mit Schlämmkreide weißen und zum
Trocknen auf die lange Holzveranda vor dem Blockhaus legen, während sie schwimmen
gingen. Dazu trugen sie Gummilatschen, Badekappen und grüne Badeanzüge aus
Wolle, auf deren Vorderseite in Höhe des eines Tages zu erwartenden Busens camp seetonka gestickt war. Das Wort
Badeanzug galt damals übrigens als unschicklich, und von allen Mädchen wurde
erwartet, dass sie in der Lage waren, sich auf dem Rücken treiben zu lassen,
ohne zu sinken, sich nach Froschmanier vorwärts zu bewegen, wie ein Hund zu
paddeln und dass sie den »toten Mann« beherrschten. Die besten Mädchen taten
sich darüber hinaus im Seitenschwimmen, Rückenschwimmen und, wie man es dezent
nannte, Frontschwimmen hervor.
Damals war das Leben noch einfach
gewesen. Junge Mädchen brauchten sich nicht mit Verabredungen herumzuschlagen,
sondern besuchten im Beisein ihrer Eltern Partys und tanzten mit Jungen, die
sie seit Kindertagen kannten. Make-up wurde nur heimlich aufgelegt. Niemand las
unziemliche Bücher, hauptsächlich deswegen nicht, weil sie einem nicht in die
Hände fielen. Keiner wusste so recht, was in der Hochzeitsnacht passieren
würde, doch man wusste sehr wohl, dass »es«, was immer es auch sein mochte, auf
keinen Fall vorher geschehen durfte.
Wahrscheinlich wurde sie langsam alt.
Emma riss sich zusammen, setzte ein freundliches Pensionswirtinnenlächeln auf
und ging zu den Liegestühlen hinüber. »Guten Tag. Gehe ich recht in der
Annahme, dass Sie alle Sommergäste von Mrs. Sabine sind?«
Zustimmendes Murmeln und Brummeln
ließen darauf schließen, dass ihre Annahme stimmte.
»Dann darf ich mich Ihnen vorstellen.
Ich bin Mrs. Beddoes Kelling.« Ihren Vornamen behielt sie wohlweislich für
sich. »Mrs. Sabine bedauert sehr, dass sie in diesem Jahr nicht kommen kann.
Ihr Arzt hat in letzter Minute beschlossen, dass sie momentan nicht reisefähig
ist. Um Ihre Ferienpläne nicht zunichte zu machen, hat sie mich gebeten
einzuspringen. Sie hat mir detaillierte Anweisungen mitgegeben, so dass
hoffentlich alles wie geplant vonstatten gehen kann.«
»Das ist aber eine Überraschung«, sagte
eine grauhaarige Dame, die wahrscheinlich das älteste Mitglied der Gruppe war
und immerhin genug Anstand besaß, zu ihrer blauen Denimjacke einen passenden
Wickelrock zu tragen. Dafür hatte sie sich bei der Wahl ihres rosagelben
Sonnenhutes mit passender Kordel ziemlich vergriffen, fand Emma. Das Ding sah
aus wie ein Sonnenschirm.
Der Mann mit dem Krug, der inzwischen
definitiv beschlossen hatte, sich der Gruppe anzuschließen, ließ ein heiseres
Gelächter hören. »Das haben Sie doch bestimmt vorher gewusst, oder?«
»Ich wusste lediglich, dass Mrs. Sabine
eine Dame im fortgeschrittenen Alter ist, die seit einiger Zeit kränkelt«,
erwiderte die Frau gut gelaunt. »Sie hatte im Februar ziemliche Probleme mit
den Bronchien, und man fürchtete schon um ihr Leben, doch sie hat es noch
einmal geschafft. Vorige Woche ging es ihr so gut, dass sie sogar an einer
größeren Veranstaltung teilgenommen hat. Eine Art Picknick. Dabei hat sie sich
auch mit dieser Dame hier unterhalten und das Problem mit der Insel geregelt.
Die beiden haben in einem rotweiß gestreiften Zelt gesessen und zusammen Tee
getrunken, und es waren noch viele andere Leute da. Sie bedauert übrigens
keineswegs, dass sie nicht kommen kann, sondern freut sich diebisch, dass sie
sich so geschickt aus der Affäre gezogen hat. Lassen Sie sich von ihr nicht
täuschen, Mrs. Kelling. Sie wäre auch ohne die Diagnose ihres Arztes froh
gewesen, wenn Sie für sie eingesprungen wären. Sie hat noch ziemlich viel
Energie, auch wenn man es ihr auf den ersten Blick nicht zutraut. Damit will
ich natürlich nicht sagen,
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