Jodeln und Juwelen
irgendwas Dummes
anstellt und man ihn schnell rausholen muss. Und von meinem Zimmer aus konnte
ich ihn ja nich’ hören.«
»Verstehe. Sie haben völlig richtig
gehandelt.«
»Ich hab’ fest geglaubt, dass ich
meinen eigenen Leuten trauen kann«, fuhr er mit einiger Bitterkeit fort, »also
hab’ ich den Schlüssel ins Schlüsselkästchen gehängt, wo wir ihn sonst auch
immer reintun, und bin ins Bett gegangen.«
»Hängt das Schlüsselkästchen in der
Küche?« erkundigte sich Emma.
»Neben der Speisekammertür, damit wir
leicht drankommen. Als Mr. Sabine noch lebte, haben wir nie abgeschlossen. Aber
heute, mit all den verrückten Schriftstellern und was weiß ich noch, hab’ ich
Angst, wenn ich’s nich’ mache. Ich hab’ allerdings nich’ damit gerechnet, dass
mein eigen Fleisch und Blut mir sowas antun würde.«
»Sind Sie da nicht etwas vorschnell mit
Ihrem Urteil? Es hätte doch auch einer der Gäste sein können, oder nicht?«
»Der müsste aber ganz schön gerissen
sein, um so schnell rauszufinden, wie er das anstellen kann. Die Leute sind
doch erst gestern Nachmittag gekommen. Gestern Abend hat keiner von ihnen auch
nur ‘nen Fuß in die Küche gesetzt, sagt Bubbles. Also konnte auch keiner
wissen, dass der Mann da war. Ich weiß wirklich nich’, was ich sagen soll, Mrs.
Kelling. Sowas is’ hier noch nie vorher passiert, jedenfalls nich’, seit ich
auf die Insel komme.«
»Nehmen Sie’s nicht so schwer, Vincent.
Davon geht die Welt nicht unter.«
Inzwischen war Emma sich ziemlich
sicher, dass der Hausmeister eine durch und durch ehrliche Haut war. Er war es
nicht gewöhnt, dass man seine Autorität untergrub und konnte damit nicht
umgehen. Emma konnte das verstehen. »Sie haben doch wahrscheinlich eine
Inventarliste von allem, was sich hier im Haus befindet. Wenn Sie möchten,
könnte ich nach dem Frühstück nachsehen, ob etwas fehlt, während sie draußen
die Insel absuchen. Wenn unser Freund nichts Wertvolleres als meine alte Tasche
mitgenommen hat, haben wir noch einmal Glück gehabt. Da die Gäste anscheinend
keine Ahnung von seiner Existenz haben, brauchen wir sie auch nicht zu
informieren. Falls jemand anfängt, Fragen zu stellen, wissen wir sofort, wer
der Schuldige ist. Ich gehe jetzt besser nach unten und frühstücke. Sie haben
wahrscheinlich schon gefrühstückt, nehme ich an?«
»Ja, Mrs. Kelling. Ich bring’ die
Inventarliste hoch und leg’ sie auf Ihren Schreibtisch, dann können Sie
anfangen, sobald Sie fertig gefrühstückt haben. Falls Sie mich oder die Jungs
für irgendwas brauchen, läuten Sie einfach die alte Schiffsglocke neben der
Küchentür. Wenn jemand fragt, was wir machen, sagen wir einfach, es wär’ für ‘ne
ökologische Untersuchung.«
Die beiden gönnten sich ein
wohlverdientes Lachen und gingen gemeinsam nach unten. Emma hatte als Erste im
Esszimmer sein wollen, das war ihr gelungen. Bubbles war noch damit
beschäftigt, eine Reihe von Warmhalteplatten auf dem langen Buffet neben dem
Tisch zu arrangieren. Er war hocherfreut, sie zu sehen.
»Fetfen Fie fich, Miffif Kelling. Ich
bring Ihnen waf Leckeref, wenn ich hier fertig bin.«
»Machen Sie sich meinetwegen bitte
keine Umstände, Bubbles. Ich wollte nur als Erste hier sein, damit ich die
Gäste begrüßen kann, wenn sie eintreffen. Übrigens vielen Dank für den Tee. Sie
können eines der Mädchen hochschicken, damit sie das Tablett holt, sobald sie
Zeit hat.«
Bubbles versicherte ihr lispelnd, daf
er Fandy oder Bernif jederfeit entbehren könne, wenn Emma fie brauche, und ging
furück in die Küche, während er etwas von frischem Toaft und heiffen Muffinf
murmelte. Emma fragte sich gerade, ob sie damit anfangen sollte, die Rechauds
einer Inventur zu unterziehen, als Black John Sendick in den Raum hüpfte. Er
trug Jogging Shorts, die man mit Fug und Recht als winzig bezeichnen konnte,
und ein T-Shirt mit einem Bild von Tycho Brahe.
»Hi, Mrs. Kelling. Waren Sie schon im
Wasser? Ich schon, aber nur für etwa dreizehneinhalb Sekunden. Meine Güte, ist
das Wasser hier in Maine kalt! Was riecht denn hier so gut?«
Emma lächelte. Er erinnerte sie an
ihren Enkel Wally, nur dass er glücklicherweise nicht jodelte. »Das wollte ich
auch gerade herausfinden. Sollen wir schon anfangen?«
Sie hatten sich gerade mit ihren
Tellern hingesetzt, als Joris Groot sich zu ihnen gesellte. Groot erklärte, er
habe geschlafen wie ein Murmeltier, und verkündete, es ginge doch nichts über
frische Seeluft als
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