Jodeln und Juwelen
Appetitmacher. Danach nahm er sich reichlich von allem und
machte sich umgehend daran, es zu verzehren.
Lisbet Quainley erschien mit Everard
Wont im Schlepptau, als Emma gerade ihre zweite Tasse Kaffee austrank und
darüber nachdachte, ob es nicht sinnvoller wäre, mit der Inventarliste
anzufangen, anstatt herumzusitzen und abzuwarten, ob etwa jemand den Mann in
der Küche, wie Mrs. Fath ihn gestern genannt hatte, erwähnte.
Oder hatte sie gar nicht den
geheimnisvollen Fremden gemeint? Gestern Abend waren vier Männer in der Küche
gewesen, sogar fünf, wenn man Neil mitrechnete. Mrs. Fath hätte im Grunde jeden
von ihnen meinen können. Oder sie hatte einfach nur so dahingeredet, um sich
ein Ziel für ihre vagen Vorhersagen zu sichern, falls tatsächlich etwas
passieren sollte.
Momentan stand dieses Thema jedenfalls
nicht zur Debatte. Alle waren viel zu sehr damit beschäftigt zu erzählen, wie
gut sie geschlafen hatten. Sogar Everard Wont behauptete, eine friedliche Nacht
gehabt zu haben, auch wenn Emma ihm dies nicht glaubte. Als die beiden eben
hereingekommen waren, hatte Lisbet Quainley ziemlich besitzergreifend seinen
Arm umklammert, außerdem sah sie um die Augen herum reichlich übemächtigt aus.
Viel wahrscheinlicher war, dass die beiden die Nacht zusammen verbracht hatten,
auch wenn Emma sich beim besten Willen nicht vorstellen konnte, was sie
aneinander fanden. Aber wenigstens hatte Wont sich rasiert und trug einen
sauberen roten Pullover zu seinen Jeans. Vielleicht für Lisbet? Schon eher,
weil er es für angebracht hielt, die Wogen bei Mrs. Sabines Stellvertreterin zu
glätten. Immerhin hatte er an diesem Morgen noch keinen einzigen Versuch
gemacht, sich in den Vordergrund zu drängen.
Emma war überrascht, dass sich Alding
Fath noch nicht manifestiert hatte. Sie hatte die Hellseherin für eine
Frühaufsteherin und enthusiastische Frühstückerin gehalten, sie war schließlich
angeblich auf dem Land aufgewachsen. Emmas Armbanduhr zeigte bereits neun Uhr
an, doch von Mrs. Fath war nach wie vor nichts zu sehen.
Dafür erschien Graf Radunov, frisch wie
der junge Tag und doppelt so strahlend, mit hellgrauer Hose, blauem Hemd, rotem
Halstuch und einem karierten Madrasblazer in Marineblau, Rot und Grau. Emma
hatte erwartet, dass er um diese Zeit zu ihnen stoßen würde. Wenigstens hatte
sie sich in diesem Fall nicht getäuscht. Der Graf sagte nicht etwa, er habe gut
geschlafen, sondern konstatierte galant, man könne sehen, dass Mrs. Kelling gut
geschlafen habe, und stellte schmeichelhafte Vergleiche mit dem Morgentau und
den Blüten der Rosa rugosa an. Von einem verschwundenen Fremden sagte er
nichts.
Emma fand, dass sie hier eindeutig ihre
kostbare Zeit verschwendete. Außerdem hätte sie das letzte Muffin besser nicht
gegessen. Sie schob entschlossen ihren Stuhl nach hinten und erhob sich.
»Vergessen Sie nicht, sich ein Lunchpaket machen zu lassen. Sie wissen ja, dass
es bis heute Abend nichts mehr zu essen gibt. Hoffentlich hat Mrs. Fath nicht
vergessen, dass wir ab halb zehn kein Frühstück mehr servieren. Vielleicht
sollte ich besser schnell bei ihr vorbeischauen und sie daran erinnern.«
Niemand bot sich an, ihr diesen Gang
abzunehmen. Graf Radunov hatte sich gerade den Teller mit einer Auswahl von
Köstlichkeiten beladen und widmete sich seiner Beute mit der gebührenden
Aufmerksamkeit. Wont und seine Schatzsucher besprachen gerade eingehend, ob sie
nun ein Floß bauen sollten oder nicht. Emma überließ sie ihrer Diskussion,
griff nach einem verblichenen Strohhut, der Adelaide gehört haben musste und
auf einer Ablage an der Tür lag, und ging hinaus in die Sonne.
Abgesehen von dem kleinen Spaziergang,
den sie gestern vom Dock zum Haus gemacht hatte, war dies für sie die erste
Gelegenheit, sich auf dem Inselboden die Beine ein wenig zu vertreten. Es war
angenehm, die elastische Schicht aus Kiefernnadeln unter den Leinenschuhen zu
spüren und den würzigen Kiefernduft zu schnuppern. Emma erinnerte sich gut an
den Weg zu den Hütten. Es hatte sich nicht viel verändert, seit sie und Bed
damals hier gegangen waren. Inselbäume wurden nie sehr hoch, dazu wurden sie
viel zu sehr vom Seewind gezaust. Der saure Regen hatte bisher kaum Schaden an
den Granitfelsen angerichtet, soweit Emma sehen konnte, doch sie fühlte sich
Felsen ohnehin nicht sonderlich verbunden. Sie waren einfach zu starr für eine
Frau ihres Temperaments.
Aber in welcher Hütte wohnte Alding
Fath? Ach ja, in dem Häuschen
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