Jodeln und Juwelen
Radunov also irgendetwas im Schilde?«
»Oder im Kopf«, sagte Emma. »Er hat mir
erzählt, er schriebe über alle möglichen Themen. Vielleicht arbeitet er gerade
an einer kleinen Studie über Beruhigungsmittel? Aber warum sollte er sich
ausgerechnet Mrs. Fath als Versuchskaninchen aussuchen? Falls er wirklich jemanden
sedieren muss, warum kann er uns nicht allen den Gefallen tun und Everard Wont
aus dem Verkehr ziehen?«
»Kopf hoch, Emma. Dr. Wont wird dich
aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr lange ärgern«, erinnerte sie Theonia.
»Ach ja, Max, das wollte ich dir auch noch
erzählen. Als ich Wont und seiner Crew mitteilte, dass hier jemand frei
herumläuft, der andere niederschlägt, und ihnen sagte, sie stünden alle unter
Verdacht, hat er einen seiner Wutanfälle bekommen und wollte die Insel auf der
Stelle verlassen. Ich habe ihm natürlich klar gemacht, dass dies nicht möglich
sei, was auch stimmt, weil wir hier nämlich kein Boot haben.«
»Keine Sorge«, sagte Theonia, »Tweeters
wird sich sofort in die Lüfte schwingen und uns holen, wenn es uns hier zu
ungemütlich wird. Wir brauchen nur mit den Fingern zu schnippen. Kannst du dir
vorstellen, Sarah, dass es Emma gelungen ist, Tweeters von seinen
Papageitauchem abzulenken?«
»Selbstverständlich kann ich das«,
erwiderte Sarah. »Der Mensch lebt schließlich nicht vom Papageitaucher allein,
oder? Aber ihr habt noch gar nicht nach dem Collier gefragt. Sag du es ihnen,
Max.«
»Liebend gern. Du hast wirklich einen
tollen Fang gemacht, Emma. Das Ding, das du aus deiner alten Tasche gefischt
hast, gehörte einst der Herzogin von Cantilever und wurde ihr von einem jungen
Lakaien gestohlen, mit dem sie eine fragwürdige Beziehung verband. Der
ehemalige Lakai hat es später an einen reichen New Yorker verkauft. Der
schenkte es einem der Floradora Girls, das wiederum von dem inzwischen
verwitweten Herzog von Cantilever geheiratet wurde und somit das Schmuckstück
zur allseitigen Freude wieder zurück in den Schoss der Familie brachte. Als der
Herzog hochbetagt starb, kehrte die Herzogin nach New York zurück, wo sie
schließlich das Collier ausgerechnet an den Sohn des reichen New Yorkers
verkaufte, der es ihr ursprünglich gegeben hatte.«
»War das der Mann, der es von dem
Lakaien gekauft hatte?« Emma behielt gern die Übersicht.
»Dem Ex-Lakaien«, korrigierte Max. »Er
wurde natürlich sofort gefeuert, als seine Verfehlung ans Licht kam. Doch man
konnte ihm nichts nachweisen. Später änderte er seinen Namen, nahm die
amerikanische Staatsbürgerschaft an und wurde schließlich sogar ein Mitglied
der Harding-Regierung. Er wurde durch den Teapot Dome Skandal steinreich,
kaufte nach dem Börsencrash von 1929 das Collier von dem ehemals reichen New
Yorker zurück — dem Sohn des anderen reichen New Yorkers, Emma — und verehrte
es einem gewissen Mitglied der Ziegfeld Follies. Über den Namen der Dame wollen
wir lieber schweigen, da sie später einen Neffen des verstorbenen Herzogs von
Cantilever heiratete und eine berühmte Stütze der High Society wurde. Ihre
Enkelin hat sich gerade mit einem Mitglied der momentanen Regierung verlobt.
Wie das Leben so spielt, ist der Betreffende ein Spross eben der berühmten New
Yorker Familie, die 1929 bei dem Börsencrash alles verlor, es jedoch seitdem
geschafft hat, erneut ein Vermögen zusammenzutragen.«
»Wie das?« fragte Theonia.
»Auf verschiedene Weise«, erwiderte
Max. »Mit ein wenig Unterstützung von Freunden. Die ehrwürdige Follies-Lady
besuchte just letzte Woche hier in Boston einen offiziellen Empfang für das
glückliche Paar, als man ihr das Collier raubte und sie dabei beträchtlich
beschädigte. Sowohl die Cantilevers als auch die berühmte New Yorker Familie
haben verständlicherweise ein gewisses Interesse an dem Collier und haben
Belohnungen für die Auffindung des Schmuckstücks ausgesetzt. Alles in allem
kannst du davon ausgehen, Emma, dass du ungefähr fünfzigtausend Dollar netto
bei der Geschichte verdienen wirst. Und Radunov wird sich schwarz ärgern, wenn
er herausfindet, was ihm entgangen ist, nur weil er den Gentleman gespielt
hat.«
»Dafür wird sich die Witwe von
Feuerwehrmann Bechley freuen«, sagte Emma. »Denn ich werde das Geld natürlich
dem Hilfsfond für bedürftige Feuerwehrleute zukommen lassen. Wenn ich nicht auf
der Wohltätigkeitsveranstaltung gewesen wäre, hätte ich nicht mit Adelaide
Sabine gesprochen und wäre jetzt nicht hier auf Pocapuk. Somit hat die
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