Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
mich?«
Kurtz zog die Kimber Custom .45 ACP aus dem Holster in seinem Hosenbund. Er legte sie auf ihren Schreibtisch. »Einen Dobermann konnte ich mir nicht leisten.«
Arlene schüttelte den Kopf, griff unter ihren Tisch und zog eine kurzläufige 32er Magnum Ruger mit innenliegendem Hahn heraus.
»Ach«, freute sich Kurtz. »Ein guter alter Bekannter.«
»Ich dachte, wenn das hier auch nur annähernd so wird wie früher, sollte ich mich auch so verhalten wie früher.« Sie wog die Waffe in der Hand. »In den letzten Jahren waren die einzigen Gründe, warum ich das Haus verlassen musste, meine wöchentlichen Mah-Jongg-Spiele bei Berenice und zweimal die Woche das Training am Schießstand.« Sie ließ die Ruger wieder im Halfter verschwinden, der unter die Schreibtischschublade geschraubt war.
»Im Knast haben sie uns nicht viel Schießtraining gestattet«, meinte Kurtz. »Wahrscheinlich bist du mittlerweile eine bessere Schützin als ich.«
»Das war ich schon immer.«
Kurtz verbarg seine Erleichterung, dass er nicht auf die Kimber verzichten musste, schob die Automatik wieder in das Holster, schnallte es ab und ließ sich wieder auf das Sofa plumpsen.
»Interessiert es dich, wie Sweetheart Search, Inc. läuft?«, fragte Arlene. »Immerhin ist es deine Firma. Und die ganzen Suchmaschinen und Dienste, von denen du mir erzählt hast, funktionieren prima. Wir bezahlen sie, berechnen dem potenziellen Sweetheart 20 Prozent mehr und alle sind zufrieden. Willst du mal sehen, wie es funktioniert?«
»Ja sicher«, meinte Kurtz. »Aber im Augenblick denke ich über eine Geschichte nach, an der ich gerade arbeite. Du könntest den Dienst mal nutzen, um Malcolm Kibunte für mich abzufragen. Die üblichen Quellen – Gerichtsverhandlungen, Haftbefehle, Steuerbescheide, egal was. Ich weiß, du wirst keine richtige Adresse finden, aber ich nehme alles, was du mir liefern kannst.«
Arlene tippte eine Weile auf der Tastatur herum, kontrollierte die Zugriffszahlen des Tages, bearbeitete verschlüsselte Kreditkartenzahlungen für Anfragen, überwies das Geld auf ein anderes Konto, gab Daten in die Suchmasken ein und begann dann mit der Recherche nach Malcolm Kibunte. Schließlich erklärte sie: »Ich weiß, du redest nicht gern über deine Fälle, aber würdest du mir vielleicht verraten, was hier läuft? Da gibt es ein paar beängstigende Details über deinen Mr. Kibunte.«
Als Kurtz nicht antwortete, sah sie zu ihm hinüber. Lang auf der Couch ausgestreckt, die Waffe im Holster an die Brust gedrückt wie einen Teddybär, schnarchte er leise.
KAPITEL 20
Das Blue Franklin war eine alte Bluesbar, die wie ein guter Wein mit zunehmendem Alter noch besser geworden war. Junge aufstrebende Musiker hatten seit sechs Jahrzehnten in den Tabakschwaden und dem Tellerklappern der kleinen Kneipe an der Franklin Street ihre Künste perfektioniert, waren dann berühmt geworden und später zurückgekehrt, um auf dem Höhepunkt ihrer Karriere vor vollem Haus zu spielen. Wenn der Zenit überschritten war, kehrten sie schließlich für regelmäßige Gigs zurück. Die beiden, die an diesem Abend auftraten, waren ein Beispiel für die Eigengewächse, die es geschafft hatten. Pearl Wilson, eine Sängerin Ende 30, die das Timbre einer Billie Holiday mit der Schroffheit einer heranwachsenden Koko Taylor verband, jammte gemeinsam mit Big Beau Turner, einem der besten Tenorsaxofonisten seit Wayne Marsh.
Kurtz kam gerade rechtzeitig zur späten Show, nuckelte an einem Bier und genoss Pearls Interpretationen von »Hellhound on my Trail«, »Sweet Home Chicago«, »Come in my Kitchen«, »Willow, Weep for Me«, »Big Legged Mamas are Back in Style« und »Run the Voodoo down«, gefolgt von Big Beau, der seine Versionen von einigen Billy-Strayhorn-Klassikern zum Besten gab: »Blood Count«, »Lush Life«, »Drawing Room Blues« und »U.M.M.G.«.
So lange Kurtz zurückdenken konnte, war er immer ein Fan von Jazz und Blues gewesen. Nach seiner Einschätzung war das etwas, was Religion am Nächsten kam. Im Knast, wo man ihm immerhin einen Discman und einen Kassettenrekorder zugestanden hatte, war selbst eine perfekte Aufnahme wie die Remastered-Fassung von Miles Davis’ »Kind of Blue« nie an das Flair einer Live-Session herangekommen. Das Zusammenspiel von Stimmungen erinnerte an ein hochkarätiges Baseballmatch, das in die Verlängerung gegangen war, gefolgt von purer Lethargie und Distanziertheit, die unvermittelt einem Wirbelwind aus Dynamik und
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