Joe Kurtz 01 - Eiskalt erwischt
exakt derselben Stelle durch die Luft, wo Kurtz noch eine Sekunde vorher gestanden hatte.
Er rannte in die entgegengesetzte Richtung über den Steg, schüttelte die verbrauchten Hülsen aus der Kammer der .38 und versuchte im Laufen nachzuladen. Er ließ eine Patrone fallen und fummelte nach einem Ersatz. Fünf im Magazin. Er klappte die Kammer zu und setzte seine Flucht in vollem Tempo fort.
Schritte dröhnten hinter ihm durch die Halle. Der Schütze hatte seine Deckung verlassen und flitzte unter dem Kontrollraum hindurch, wobei er nach oben schoss. Der Strahl einer Taschenlampe spielte über den Laufsteg. Funken sprühten und Kugeln knallten vor und hinter Kurtz gegen den Stahl. Konnte es angehen, dass er es wirklich nur mit diesem einen Schützen zu tun hatte?
So ein unverschämtes Glück kann ich gar nicht haben.
Kurtz wusste, er konnte die 40 Meter bis zur nächsten Wand nicht zurücklegen, ohne getroffen zu werden. Und selbst wenn es ihm gelang, bot er ein leichtes Ziel, sobald er die Leiter hinunterkletterte.
Aber er hatte gar nicht die Absicht, bis nach hinten zur Wand zu laufen. Er schnappte sich mit der linken Hand eines der Halteseile, hielt die .38er fest in der Rechten, schwang sich über das Geländer und ließ sich in die Tiefe fallen.
Es waren immer noch halsbrecherische zehn Meter bis zum Hallenboden, aber Kurtz sprang gleich über der ersten Halde ab, die unter ihm auftauchte, und die musste mindestens fünf Meter hoch sein. Kurtz kam auf der von dem Schützen abgewandten Seite auf – er knallte in die scharfkantigen Steine und rollte in einem Wirrwarr aus Kohle und Geröll hinab. Wenigstens bremste der Schutthaufen seinen Fall und bewahrte ihn davor, sich den Hals zu brechen.
Kurtz war bereits wieder auf den Beinen, bevor der Schütze den Haufen umrundet hatte.
Zwei Schüsse erklangen hinter ihm, aber Kurtz rannte in vollem Tempo um den dritten Abraumhaufen herum. Er bremste abrupt ab und ließ sich flach auf den Boden fallen. Den kurzläufigen Revolver hielt er mit der rechten Hand im Anschlag, während die Linke sie stützend umklammerte.
Der Schütze kam nicht.
Kurtz riss den Mund weit auf, versuchte sein Keuchen zu unterdrücken und lauschte intensiv.
Schlacke schlidderte und kratzte rechts hinter ihm über den Boden. Entweder der Schütze oder ein Komplize von ihm versuchten, Kurtz in den Rücken zu fallen, indem sie über das Geröll kletterten und sich um ihn herumschlichen.
Kurtz wechselte die 38er in die linke Hand, rollte sich nach rechts ab und schaufelte schwarze Steine über sich wie ein Mann, der bei seiner eigenen Beerdigung mithilft. Er vergrub seine Füße in dem Haufen und ließ die kleinen, glatten Steine auf sich herunterrieseln. Er schob seinen Kopf in eine Ausbuchtung im Hügel und sorgte dafür, dass alles bis auf seine Augen von dem schwarzen Geröll bedeckt war. Als die Steine in Position kullerten, wechselte er die Pistole in seine Schusshand, hielt sie aber unter der Kohle verborgen.
Er wusste, dass seine Tarnung äußerst bescheiden war. Mit einer Lampe würde man ihn sofort entdecken. Kurtz visierte mit der 38er die Richtung an, aus der er mit dem Gegner rechnete, und wartete.
Wieder ein Geräusch von polternden Steinen. Es war gerade eben hell genug, dass Kurtz’ Augen den Schussarm seines Angreifers erfassen konnten, der um die Ecke eines Schlackehaufens in ein paar Metern Entfernung auftauchte.
Kurtz wartete.
Der Kopf und die Schulter eines Mannes folgten und verschwanden sofort wieder aus dem Blickfeld.
Kurtz wartete weiter.
Hinter ihm war es heller. Das bedeutete, dass der Schütze Umrisse auf dem Boden oder dem Steinhaufen besser wahrnehmen konnte als Kurtz selbst. Ihm blieb keine andere Möglichkeit, als sich ruhig zu verhalten und inständig zu hoffen, dass sein Umriss unter der Kohle nicht zu sehen war.
Der Mann bewegte sich jetzt deutlich schneller, kam um den Haufen herumgelaufen, glitt über den Boden und hielt die Pistole im Anschlag und in korrekter Pose abgestützt. Der Oberkörper wirkte ungewöhnlich massig, was darauf hindeutete, dass er eine kugelsichere Weste trug.
Kurtz wusste, dass er mit jeder Bewegung das Feuer auf sich ziehen konnte, aber gleichzeitig war ihm klar, dass er die Schusslinie ändern musste, um sein Gegenüber nicht zu verfehlen und in ein paar Sekunden ein toter Mann zu sein. Deswegen ruckte er den Arm mit der kurzläufigen .38 etwas nach links.
Steine gerieten ins Rutschen.
Der Mann fuhr beim ersten
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