Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
Akte von James B. Hansen auf.
»Ein toter Bursche«, setzte Arlene die Reihe fort.
»Das erzählt man sich zumindest.«
»Lange her«, sagte Arlene.
Kurtz nickte und vertiefte sich in den Polizeibericht über den Mord an der jungen Crystal Frears und die anschließende Tötung der eigenen Familie, an die sich schließlich sein erfolgreicher Suizid anschloss. Die Einzelheiten stimmten exakt mit dem überein, was ihm John Wellington Frears erzählt hatte.
»Mir ist natürlich die Verbindung zwischen den beiden aufgefallen«, bemerkte seine Sekretärin. »Glaubt Mr. Frears, dass Hansen noch am Leben ist?«
Kurtz blickte auf. Selbst in seiner Zeit als Privatdetektiv hatte er immer nur die nötigsten Details seiner Fälle mit Arlene besprochen, weil er keine Notwendigkeit sah, sie mit den ganzen Fakten zu belasten. Aber damals waren auch ihr Mann und ihr Sohn noch am Leben gewesen. »Ja«, erwiderte Kurtz deshalb. »Genau das glaubt Frears. Vor ein paar Wochen wollte er gerade Buffalo verlassen ...«
»Er gab hier ein Konzert, das weiß ich vom Tourneeplan«, warf Arlene ein und signalisierte Kurtz mit einer ungeduldigen Bewegung ihrer Kaffeetasse, dass er in seiner Schilderung fortfahren solle.
»Er ist sich ziemlich sicher, Hansen am Flughafen gesehen zu haben.«
»An unserem Flughafen?«
»Ja.«
»Glaubst du das, Joe? Dass er Hansen gesehen hat, meine ich.«
Kurtz zuckte mit den Schultern.
»Wo ist Mr. Frears jetzt?«
»Immer noch im Sheraton am Flughafen. Er wartet.«
»Worauf?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Kurtz. »Wie es aussieht, kümmert sich die Mordkommission in Buffalo nicht länger um den Fall. Vielleicht will Frears einfach nicht die Stadt verlassen, solange er eine Chance sieht, Hansen hier zu finden, aber gleichzeitig ist er viel zu krank, um selbst nach ihm zu suchen.«
»Also wartet er im Sheraton auf den Tod.«
»Ich glaube, es ist mehr als das«, antwortete Kurtz. »Mr. Frears hat einen großen Aufstand bei der Polizei veranstaltet, die Buffalo News hat sogar einen kurzen Artikel darüber veröffentlicht, dass er den Mörder seiner Tochter am Flughafen gesehen haben will. Und er gab einem lokalen Radiosender ein Interview. Und er ist in beiden Fällen damit hausieren gegangen, dass er im Sheraton wohnt.«
»Er will, dass Hansen – wenn Hansen existiert – ihn findet«, erkannte Arlene mit leiser Stimme. »Er will, dass Hansen aus seinem Versteck herauskommt, um ihn zu töten. Er will die Polizei dazu zwingen, seinen Fall ernst zu nehmen.«
Kurtz klappte die Mappe wieder zu und nahm sich Weitere Mord-Selbstmord-Fälle vor. In den letzten 20 Jahren hatte es 5638 Morde an Kindern und Ehefrauen mit nachfolgendem Selbstmord des männlichen Täters gegeben. In 1220 weiteren Fällen hatten sich Männer das Leben genommen, bevor die Polizei sie nach einem Missbrauch und/oder dem Mord an einem jungen Mädchen verhaften konnte.
»Ui«, stöhnte Kurtz.
»Yep«, pflichtete Arlene ihm bei. Sie hatte ihre Kaffeepause beendet, sich eine neue Zigarette angezündet und wieder dem Computer zugewandt. Jetzt griff sie nach einer weiteren, deutlich dünneren Akte auf ihrem Schreibtisch und brachte sie zu Kurtz. »Also habe ich die Parameter eingegrenzt und mich auf Täter beschränkt, die ein Mädchen in Crystal Frears’ Alter vergewaltigt und ermordet haben, nach der Tat wieder nach Hause gingen und entweder sich selber oder ihre eigene Familie töteten, nachdem sie ihr Haus in Brand steckten.«
»Davon kann es nicht allzu viele geben«, erkannte Kurtz. Es gab 235 Fälle, die diesem Szenario entsprachen, wie ihm die Unterlagen von Arlene verrieten, aber lediglich an 31 von ihnen waren Männer beteiligt, die sich zur Tatzeit in James B. Hansens Alter befanden. Kurtz brauchte nur etwa eine Minute, um beim Vergleich ihrer Fotos mit der Aufnahme von Hansen aus der Personalakte der Chicagoer Polizei fündig zu werden.
»Bingo!«, rief Kurtz. Atlanta, Georgia, fünf Jahre nach dem Mord an Crystal Frears. Ein Weißer, der dem Psychologen James B. Hansen nicht sonderlich ähnlich sah – Glatze statt langer Haare, glatt rasiert statt Bart, braune Augen statt blauer, eine dicke Brille, obwohl Hansen keine getragen hatte –, aber es handelte sich eindeutig um denselben Mann. Lawrence Greenberg, 35 Jahre alt, amtlich zugelassener Buch- und Rechnungsprüfer, seit drei Jahren verheiratet, drei Kinder aus der ersten Ehe seiner Frau.
Greenberg hatte ein 13-jähriges weißes Nachbarmädchen namens
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