Joe Kurtz 02 - Bitterkalt
aber nicht traute, die blutige Sauerei anzufassen.
»Nein«, widersprach Kurtz. »Erinnerst du dich noch, wie du jedem auf dem Gefängnishof erzählt hast, wie du deine beiden ersten Frauen umgebracht hast und wo sie vergraben sind?«
»Ach Scheiße!«, stöhnte Big Bore.
»Ja«, pflichtete ihm Kurtz bei. Er ging in den Wohnwagen und durchwühlte das Chaos, bis er unter einem Koffer mit einem nagelneuen 45er-Colt 1410 Dollar in kleinen Scheinen entdeckte. Kurtz war kein Dieb, aber das war eine Anzahlung auf seinen eigenen Tod, also nahm er das Geld und ging zurück zum Buick. Big Bore hatte unterdessen begonnen, auf den Wohnwagen zuzukriechen, wobei er eine hässliche Spur im Schnee hinterließ.
Kapitel 12
Captain Robert Gaines Millworth alias James B. Hansen betrat am Samstagmorgen die Hauptwache an der Elmwood direkt gegenüber vom Gerichtsgebäude. Es schneite.
Der Sergeant am Empfang und einige diensthabende Beamte waren äußerst überrascht, Captain Millworth zu sehen, weil dieser eigentlich noch den Rest des Wochenendes Urlaub genommen hatte. »Papierkram«, lieferte der Captain eine kurze Erklärung und verschwand in seinem Büro.
Hansen holte sich die Akte des früheren Häftlings auf den Schirm, den Brubaker und Myers gerade beschatteten. Er war schon vorher über Joe Kurtz’ Namen gestolpert, hatte ihm aber nicht allzu viel Beachtung geschenkt. Als er jetzt noch einmal die Haftakte und das dünne Dossier über den Mann las, erkannte Hansen, dass dieser zwielichtige Kurtz alles repräsentierte, was er im Leben verachtete: ein Schläger, der nach einer kurzen Dienstzeit bei der Militärpolizei eine Lizenz als Privatdetektiv beantragt hatte, vor 15 Jahren wegen schwerer Körperverletzung angeklagt worden war – freigesprochen aufgrund eines Formfehlers –, und dann dank der Faulheit und Schlamperei des Büros des Bezirksstaatsanwalts vor zwölf Jahren eine Anklage wegen Mord zweiten Grades zu einer Verurteilung wegen Totschlags herunterhandeln konnte.
Als letzter Eintrag in der Akte fand sich ein vom verstorbenen Detective James Hathaway durchgeführtes Verhör in Verbindung mit dem Vorwurf auf illegalen Waffenbesitz. Dieser war jedoch zurückgezogen worden, als Kurtz’ Bewährungshelferin Margaret O’Toole aussagte, entgegen Hathaways Bericht sei der Verdächtige nicht bewaffnet gewesen, als er von Hathaway in ihrem Büro verhaftet wurde. Hansen nahm sich vor, Miss O’Toole bei Gelegenheit ein bisschen Feuer unter dem Hintern zu machen – er würde schon für eine passende Gelegenheit sorgen.
Auf einigen Seiten der Akte wurde über Joe Kurtz’ Verbindungen zur kriminellen Farino-Familie spekuliert, vor allem über seine in Attica geschlossene Gefängnisbekanntschaft mit Stephen »Little Skag« Farino. Außerdem fand sich ein kurzes Protokoll zu einer Befragung von Kurtz im letzten November bezüglich der Ermordung von Don Farino, Sophia Farino, ihrem Anwalt und mehreren Leibwächtern. Kurtz besaß für die Tatzeit ein wasserdichtes Alibi, und es gab keine belastbaren Indizien, die ihn mit dem, was die New Yorker Fernsehsender und Zeitungen das »Buffalo-Massaker« getauft hatten, in Verbindung brachten.
Kurtz eignete sich geradezu ideal für die Rolle, die Hansen für ihn auserkoren hatte: ein Einzelgänger ohne Familienanschluss oder Freunde, ein ehemaliger Sträfling und mutmaßlicher Polizistenmörder mit vermuteten Verbindungen zur organisierten Kriminalität, dazu eine gewalttätige Vorgeschichte. Es würde kein Problem darstellen, die Geschworenen davon zu überzeugen, dass Kurtz auch ein Raubmörder war, der einen durchreisenden Violinisten allein aufgrund seines Geldes umbrachte. Natürlich musste es gar nicht erst zur Verhandlung kommen. Sofern er die richtigen Polizisten mit der Verhaftung dieses Kurtz betraute – etwa die Clowns Brubaker und Myers –, konnte sich der Staat die Kosten für die Hinrichtung sparen.
Aber dafür waren Beweise unerlässlich – vorzugsweise DNS-Spuren am Tatort.
Hansen fuhr den Computer herunter, drehte sich mit seinem Stuhl zum Fenster und starrte zwischen den Lamellen der Jalousie hindurch auf den grauen Klotz des Gerichtsgebäudes. So wie meistens, wenn die Sachlage verwirrend erschien, schloss Hansen die Augen und schickte ein kurzes Stoßgebet an seinen Herrn und Heiland Jesus Christus. James B. Hansen war im Alter von acht Jahren gerettet und in Christus wiedergeboren worden – dass sie ihn mit der Evangelikalen Kirche der Bußfertigen in
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